Stress-Kardiomyopathie So krank macht das Broken-Heart-Syndrom wirklich
Die verbesserte Datenlage erlaubt mittlerweile ein genaueres Verständnis des Takotsubo-Syndroms (TTS), berichten Dr. Victor Schweiger und seine Kollegen vom Universitätsspital Zürich. Lange Zeit ging man davon aus, dass das Broken-Heart-Syndrom eine eher harmlose Erkrankung sei, von der überwiegend postmenopausale Frauen betroffen sind. Tatsächlich findet man das TTS in der westlichen Welt häufiger bei Frauen als bei Männern, mit einen Altersgipfel um das 75. Lebensjahr herum. Doch kann sich die Krankheit in allen Altersgruppen manifestieren. Etwa jeder Fünfte mit dem akuten Herzinsuffizienzsyndrom ist unter 50 Jahre alt, und kürzlich wurde die Kardiomyopathie sogar bei einem Frühgeborenen festgestellt.
Obwohl das Bewusstsein für das Krankheitsbild und damit auch die Zahl der Diagnosen stetig zunehmen, bleibt das TTS in vielen Fällen unerkannt. Ein häufiger Grund hierfür dürfte eine gleichzeitig bestehende obstruktive koronare Herzkrankheit sein, die das Erkennen des TTS erschwert. Zudem ähnelt die Takotsubo-Kardiomyopathie klinisch einem akuten Myokardinfarkt. Die häufigsten Symptome sind:
- Dyspnoe
- pektanginöse Beschwerden
- Synkopen
Den Beschwerden liegt eine akute Dysfunktion der linksventrikulären Ejektionsfraktion (LVEF) mit typischen Wandbewegungsstörungen und regionaler Ballonierung zugrunde. Die genaue Pathophysiologie ist bislang nicht geklärt, eine Aktivierung der Hirn-Herz-Achse mit akuter Katecholaminausschüttung scheint jedoch von zentraler Bedeutung zu sein.
Um die Verwechslung eines TTS mit einem akuten Myokardinfarkt oder einer infektiösen Myokarditis auszuschließen, kommt neben definierten Diagnosekriterien die kardiale Magnetresonanztomografie zum Einsatz. Ist im MRT ein myokardiales Ödem erkennbar, während eine späte Kontrastmittelanreicherung meist fehlt, liegt ein TTS nahe.
Merkmal der Erkrankung ist, dass sie häufig durch akuten Stress ausgelöst wird. Als Trigger wurden bislang ausnahmslos emotional belastende Ereignisse wie Scheidung oder Trennung, heftiger Streit oder der Verlust eines geliebten Menschen diskutiert, was zur griffigen Bezeichnung Broken-Heart-Syndrom geführt hat. Heute weiß man: Häufiger als emotionale Auslöser liegen physische Trigger vor, zu denen Operationen und Infektionen zählen, auch akute Depressionen, posttraumatische Stresssituationen, Krebserkrankungen oder Geburten. In 8 % der Fälle liegen physische und emotionale Auslöser zusammen vor, wohingegen sich in jedem vierten Fall gar kein Trigger dingfest machen lässt, fasst das Autorentrio den Wissensstand zusammen.
Komplikationen können bei jedem fünften Patienten mit TTS auftreten, mitunter mit ernsten Folgen. 4 % der Betroffenen sterben im Krankhenhaus – und damit vergleichbar viele wie nach akutem Myokardinfarkt. Der Grund sind gefährliche akute Komplikationen wie die linksventrikuläre Ausflusstraktobstruktion (LVOTO), die bei etwa 20 % der Kranken auftritt und als stärkster Prädiktor für einen kardiogenen Schock gilt. Zu einem solchen kommt es bei etwa 10 % der Patienten, oft nach einem physischen Trigger oder bei begleitenden Faktoren wie einer LVEF < 45 %, Diabetes mellitus oder Vorhofflimmern bei Erstpräsentation. Kommt es zum Herzschock, stirbt jeder Dritte innerhalb von 60 Tagen.
Die Behandlung erfolgt meist konservativ und symptomorientiert. Empfohlen wird ein Monitoring über mindestens 48 Stunden. Bei akuten kardialen Dekompensationssymptomen sollte dies auf einer Intermediate-Care-Station erfolgen, beim Herzschock oder wenn kreislaufunterstützende Maßnahmen erforderlich sind auf der Intensivstation.
Kommt es zum kardiogenen Schock und lässt sich eine LVOTO ausschließen, empfiehlt sich die Behandlung mit Nitroglycerin, ggf. auch das Einbringen einer intraaortalen Ballonpumpe. Liegt eine LVOTO vor, kommen kurz wirksame Betablocker und Flüssigkeitsgabe zum Einsatz, im Notfall eine Herzpumpe.
Da sich Wandbewegung und Pumpfunktion meist binnen Tagen oder Wochen nach dem Primärereignis normalisieren, wurde die Tragweite eines TTS lange Zeit unterschätzt. Doch physische Langzeitfolgen sind häufig, und selbst Jahre nach dem TTS liegt die Mortalität noch ähnlich hoch wie die nach akutem Herzinfarkt. Besonders gefährdet sind Männer, deren Sterblichkeit höher zu sein scheint als die der Frauen. Bei bis zu 5 % der Betroffenen kommt es zu einem erneuten TTS. ACE-Hemmer und Angiotensin-Rezeptor-Blocker scheinen die Prognose zu verbessern und haben sich auch mit Blick auf Rezidive als effektiv erwiesen.
Quelle: Schweiger VK et al. Dtsch Med Wochenschr 2022; 147: 1530-1537; DOI: 10.1055/a-1810-9242