Nur jeder zweite Schlaganfallpatient mit erhöhtem Troponinwert hat eine koronare Herzkrankheit
Etwa 60 % der Patienten mit akutem Schlaganfall weisen einen erhöhten Troponinwert auf. Bei etwa jedem Fünften steigt der Marker für eine Myokardschädigung im Verlauf an. Schon geringfügige Erhöhungen > 14 ng/ml gehen mit einer ungünstigeren Prognose des Kranken einher, bei Werten > 30 ng/ml steigt die Mortalität steil an, berichtete Professor Dr. Christian Nolte, Centrum für Schlaganfallforschung, Neurologische Klinik der Charité – Universitätsmedizin Berlin.
Typische Thoraxschmerzen bleiben häufig aus
50 % derjenigen mit erhöhtem Troponin haben eine KHK, nur bei 2 % lässt sich jedoch ein ST-Hebungsinfarkt nachweisen. Oft fehlen die für den Infarkt bzw. das akute Koronarsyndrom typischen Thoraxschmerzen oder sie können von den Betroffenen z.B. aufgrund von Verwirrtheit nicht angegeben werden. Das erhöhte Troponin bzw. sein Anstieg liefert daher den entscheidenden Hinweis auf ein kardiales Geschehen.
Ist dies der Fall, wäre eigentlich die Koronarangiographie diagnostischer Goldstandard. Aufgrund des gesteigerten Komplikationsrisikos gilt jedoch der akute Schlaganfall als relative Kontraindikation. Man muss Nutzen und Risiko individuell abwägen, betonte der Neurologe. Immerhin jeder Vierte mit erhöhtem Herzmarker weist eine langstreckige hochgradige Stenose auf, was eigentlich die sofortige Revaskularisation erfordern würde.
Inselbeteiligung als Prädiktor für den Markeranstieg
Doch wie kommt es zu auffälligen Troponinwerten bei Apoplexpatienten ohne signifikante KHK? Die mögliche Pathophysiologie des „Stroke-Heart-Syndroms“ erläuterte Professor Dr. Sebastian Jander, Klinik für Neurologie, Universitätsklinikum Düsseldorf, anhand tierexperimenteller Daten. Bei gesunden Mäusen hatten Forscher einen Mediainfarkt rechts ausgelöst, was zu einem deutlichen Troponinanstieg führte, der nicht mit dem Hirninfarktvolumen korrelierte. Ein wichtiger Prädiktor der prognostisch ungünstigen Markererhöhung war die Inselbeteiligung.
Anders als erwartet zeigten die Tiere eher parasympathikotone als sympathikotone Reaktionen. Dies deutet auf eine komplexe autonome Dysregulation hin, sagte Prof. Jander. Auffällig waren auch eine systemische und eine myokardiale Erhöhung inflammatorischer Marker.
Neurologisch getriggertes Takotsubo-Syndrom möglich
Eine weitere Erklärung für die Myokardschädigung nach Schlaganfall könnte das stressbedingte Takotsubo-Syndrom sein, wie Privatdozent Dr. Jan Friedrich Scheitz, Centrum für Schlaganfallforschung der Charité, erläuterte. Etwa jedes Fünfte wird durch eine neurologische Erkrankung ausgelöst. Besonders hoch ist das Risiko nach einer schweren Subarachnoidalblutung. 10–15 % der Betroffenen entwickeln in den ersten Tagen die stressbedingte Kardiomyopathie mit linksventrikulärer Dysfunktion. Nach einem ischämischen Schlaganfall sind es etwa 1 %, aber 7–8 % von denen mit Troponinerhöhung.
Vom neurologisch getriggerten Takotsubo-Syndrom sind häufiger Männer sowie jüngere Patienten betroffen. Weil auch hierbei der typische Thoraxschmerz als Leitsymptom oft fehlt, ist die Kardiomyopathie wahrscheinlich unterdiagnostiziert, vermutete Dr. Scheitz. Bei Troponinerhöhungen, unspezifischen EKG-Veränderungen und Zeichen einer Herzinsuffizienz sollte man in jedem Fall an das Syndrom denken und in der Echokardiographie oder im kardialen Kernspintomogramm nach den typischen Anzeichen suchen. Im Vergleich zu Herzgesunden haben Patienten mit Takotsubo eine ungünstige Prognose mit verdoppeltem Mortalitätsrisiko.
Quelle: ANIM* 2019
* Arbeitstagung NeuroIntensivMedizin