Kollaps oder Anfall – Plötzlicher Bewusstseinsverlust oft fehlgedeutet
Ist kein Schädel-Hirn-Trauma vorangegangen, steht bei einer plötzlichen Bewusstlosigkeit vor allem die Unterscheidung von Synkope, epileptischem und psychogenem Anfall an, schreiben Dr. Tobias Baumgartner und Privatdozent Dr. Rainer Surges von der Klinik für Epileptologie am Universitätsklinikum Bonn. „Etwa die Hälfte der Betroffenen mit fälschlich vermuteter Epilepsie leiden in Wahrheit an rezidivierenden Synkopen“, so die beiden Neurologen. Etwa ein Drittel hätte psychogene nicht-epileptische Anfälle.
Bei der Anamnese solle man nicht nur den Patienten selbst nach dem genauen Ablauf des Geschehens fragen, sondern auch mögliche Zeugen des Anfalls, beispielsweise Familienmitglieder, betonen die Experten. Wichtig sei auch zu klären, ob die Bewusstlosigkeit zum ersten Mal aufgetreten sei oder ob es zuvor schon ähnliche Ereignisse gegeben habe. Vorboten der Episode, die Kenntnis der unmittelbaren Auslöser, die Dauer der Episode und das Geschehen unmittelbar danach können bei der Abgrenzung der Ursachen weiterhelfen. Auch Smartphone-Aufnahmen seien hilfreich.
Es gibt vasovagale, kardiale und orthostatische Synkopen
Synkopen sind meist durch eine Minderdurchblutung des Gehirns bedingt:
- Unter den Begriff der vasovagalen Synkopen fallen neurokardiogene, emotional induzierte und Karotissinussynkopen. Mitunter fehlt ein erkennbarer Trigger. n
- Kardiale Synkopen treten vor allem bei Herzrhythmusstörungen auf.
- Zu orthostatischen Synkopen kommt es bei einem schnellen Blutdruckabfall ohne adäquate Gegenregulation, etwa bei Volumenmangel oder als Nebenwirkung von Medikamenten.
Bei epileptischen Anfällen dagegen liegt die Ursache im Gehirn, wenn sich Gruppen von Neuronen pathologisch synchronisiert immer wieder entladen.Fokale Anfälle beginnen dabei mit der Aktivierung eines eng begrenzten Areals, sie können sich im nächsten Schritt aber auf beide Hirnhemisphären ausbreiten. Demgegenüber findet sich bei generalisierten Anfällen von Anfang an kein Hinweis auf eine bestimmte Lokalisation der verantwortlichen Nervenzellen.
Psychogene nicht-epileptische Anfälle schließlich treten oft als Begleitsymptom verschiedener psychiatrischer Diagnosen auf. Sie gehen nicht auf neuronale Überaktivierungen zurück.
Charakteristische Phänomene bei kurzem Bewusstseinsverlust | |||
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Synkope | Epileptischer Anfall | Psychogener Anfall | |
Vorher | |||
Vorzeichen | „Schwarzwerden“ vor den Augen, Geräusche werden leiser, Schweißausbruch, „Ohrensausen“ | verschiedene Auren (olfaktorischer Art, gustatorisch oder visuell)
sich über eine Extremität oder Körperhälfte ausbreitende Sensibilitätsstörung
Aura kann bei primär generalisierten Anfällen fehlen | verschiedene |
Auslöser direkt vor der Episode | häufig: langes Stehen, rasches Aufrichten, Blutabnehmen, Angst | selten: flackerndes Licht | Trauer, starker Stress, akute Konfliktsituation |
Dauer | 30 s bis 60s | 30 s bis 180s | 5 min oder länger |
Währenddessen | |||
Augen | halb offen, Bulbi nach oben gewendet | meist offen, starrer Blick, teils unwillkürliche Blickwendung mit Kopfdrehung | geschlossen oder zugekniffen |
Gesichtsfarbe | blass | zyanotisch, gerötet oder blass (bei generalisierten Anfällen) | rosig |
Motorik | Atonie, ggf. gefolgt von Kloni einzelner Muskelgruppen
bei ausgeprägter motorischer Symptomatik Verwechslungsgefahr mit epileptischen Anfällen | generalisierte Anfälle: Beginn mit Kopf- und Blickwendung zu einer Seite, Versteifung des Körpers (tonische Phase), gefolgt von synchronen Zuckungen der Extremitäten (klonische Phase); Schaumbildung vor dem Mund möglich
fokale Anfälle: variables Bild, abhängig von der Lokalisation der auslösenden Neuronen | verschiedene Bewegungsmuster, meist rhythmisch, teils heftig und abrupt
fluktuierender Verlauf mit An- und Abschwellen; Seit-zu-Seit-Kopfdrehung |
Danach | |||
Reorientierung | rasch nach 30 s bis 60s | verzögert (postiktale Schläfrigkeit) | verschieden, oft mit der Frage „Was ist passiert?“ |
Atmung | meist unauffällig | nach generalisierten Anfällen mitunter vertieft, aber regelmäßig | normal oder hechelnd |
Quelle: Baumgartner T, Surges R. Dtsch Med Wochenschr 2019; 144: 835-841; DOI: 10.1055/a-0629-0362