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 Ovarialkarzinom Zytoreduktion versus neoadjuvante Chemotherapie

Autor: Dr. Judith Lorenz

Können Patient:innen eines epithelialen Ovarialkarzinoms von einer neoadjuvanten Chemotherapie profitieren?
Können Patient:innen eines epithelialen Ovarialkarzinoms von einer neoadjuvanten Chemotherapie profitieren? © tashatuvango – stock.adobe.com
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Epitheliale Ovarialkarzinome mit einer Keimbahn- oder somatischen BRCA1/2-Mutation weisen eine höhere Platinempfindlichkeit als Wildtyp-Tumoren auf. Angesichts dessen stellt sich die Frage, ob betroffene Patient:innen von einer neoadjuvanten Chemotherapie profitieren.

Etwa 15 bis 20 % der epithelialen Ovarialkarzinome betreffen Personen mit einer BRCA1/2-Keimbahnmutation, und bei weiteren 3 % liegt eine somatische Mutation vor, berichtet Prof. Dr. Soyoun Rachel Kim vom Princess Margaret Cancer Centre in Toronto. Da die BRCA-Gene eine wichtige Rolle bei der Reparatur von DNA-Doppelstrangbrüchen spielen, sprechen BRCA-mutierte Tumoren besser auf eine platinbasierte Chemotherapie an. Diese Tatsache rechtfertigt jedoch nicht, vor der zytoreduktiven Operation eine neoadjuvante Chemotherapie durchzuführen, fand die Forscherin nun gemeinsam mit weiteren Wissenschaftler:innen heraus. 

Die Arbeitsgruppe analysierte die Daten von 314 Patient:innen, die zwischen 1991 und 2020 am Princess Margaret Cancer Centre der Universität Toronto aufgrund eines BRCA1/2-mutierten, high-grade serösen Ovarialkarzinoms im Stadium III oder IV behandelt worden waren. 194 Erkrankte (62 %) hatten eine primär zytoreduktive Operation mit anschließender adjuvanter Chemotherapie absolviert. In den übrigen 120 Fällen (38 %) war zunächst eine neoadjuvante Chemotherapie verabreicht worden. Nach dem anschließenden Intervall-Debulking hatten diese Patient:innen ebenfalls eine adjuvante Zytostatikabehandlung erhalten.

Die primär operierten Betroffenen waren signifikant jünger als die neoadjuvant behandelten Patient:innen und hatten initial eine deutlich geringere Tumorlast. Ihre Eingriffe fielen radikaler und komplexer aus, dauerten länger und zogen signifikant häufiger Komplikationen nach sich. Bezüglich der Komorbiditäten unterschieden sich die beiden Behandlungskollektive nicht. Gleiches galt für die Rate einer optimalen (Resttumor 1 bis 9 mm) bzw. vollständigen (Resttumor 0 mm) Zytoreduktion sowie für die Häufigkeit der Behandlung mit PARP-Inhibitoren. 

Signifikante Unterschiede

Im Hinblick auf die Überlebensprognose unterschieden sich die beiden Therapiestrategien jedoch signifikant: Nach zehn Jahren hatten die primär operierten Erkrankten sowohl deutlich höhere Gesamtüberlebens- (49 % vs. 25 %; p < 0,001) als auch rezidivfreie Überlebensraten (25 % vs. 10 %; p < 0,001). Unter Berücksichtigung verschiedener potenzieller Störvariablen erwies sich die primäre Zytoreduktion weiter als signifikanter günstiger Prädiktor für das Gesamtüberleben (HR 0,45; 95 %-KI 0,27–0,74; p = 0,002) sowie das rezidivfreie Überleben (HR 0,55; 95 %-KI 0,37–0,80; p = 0,002).

Trotz der erhöhten Chemosensitivität sollten fortgeschrittene, BRCA-assoziierte, high-grade seröse Ovarialkarzinome weiterhin primär chirurgisch behandelt werden, meinen die Forschenden. Die neoadjuvante Chemotherapie stellt ihrer Ansicht nach allerdings eine Behandlungsalternative für Patient:innen dar, die sich aufgrund einer ausgeprägten Tumorlast, eines schlechten funktionellen Status oder schweren Begleiterkrankungen weniger gut für eine Operation eignen.

Quelle:
Kim SR et al. Int J Gynecol Cancer 2024; DOI: 10.1136/ijgc-2023-005065