Ärztemonitor 2018: hohe Zufriedenheit und rückläufige Arbeitszeiten
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Rund 90 % der Ärzte sind mit ihrer Arbeit zufrieden. 99 % empfinden diese als sinnvoll und nützlich. 86 % der beim „Ärztemonitor“ für KBV und NAV-Virchow-Bund befragten 8389 Kolleginnen und Kollegen würden den Beruf jederzeit wieder ergreifen. „Das sind Traumwerte für eine Berufsgruppe“, stellt NAV-Chef Dr. Heinrich fest. Zur hohen Berufszufriedenheit kommen überdurchschnittliche Einkommensmöglichkeiten hinzu. Bemerkenswert findet der Hamburger HNO-Arzt, dass die Hausärzte bei der Einkommenszufriedenheit aufgeschlossen und die Fachärzte stimmungsmäßig überholt haben.
Neigung zum Selbstausbeuten hat nachgelassen
Die Werte von Fachärzten in der wohnortnahen Grundversorgung wie Kinderärzte, HNO-Ärzte, Orthopäden und Chirurgen lägen dagegen mehr als zehn Prozentpunkte unter den Durchschnitten. Dr. Heinrich wiederholt deshalb, „dass in der wohnortnahen fachärztlichen Versorgung die Entbudgetierung aller Grundleistungen längst überfällig ist“. Seit der ersten Monitor-Erhebung 2012 ist die ärztliche Wochenarbeitszeit im Schnitt von rund 57 Stunden auf jetzt gut 51 Stunden gesunken – ein Minus von über 10 %. KBV-Chef Dr. Andreas Gassen spekuliert: „Die Neigung zur Selbstausbeutung ist auch unter Ärzten heutzutage nicht mehr so ausgeprägt ist wie noch vor 20 Jahren.“ Ein Vollzeit angestellter Arzt arbeitet im Schnitt etwa elf Wochenstunden weniger als sein selbstständiger Kollege. Vor zehn Jahren waren rund 5500 Ärzte in Praxen, MVZ und ähnlichen Einrichtungen angestellt. Heute sind es rund 32 000 – nahezu gleich viele Frauen wie Männer. Der Anteil der angestellten Ärzte hat sich seit dem ersten Ärztemonitor mehr als verdoppelt, bei Hausärzten beträgt er in diesem Jahr 15 % (2012: 6 %), bei den Fachärzten 26 % (2012: 11 %).Anteil der MVZ-Ärzte hat sich seit 2012 verdreifacht
Dieser Trend werde auch von der Politik getriggert, so Dr. Gassen. Zum einen würden Strukturen wie das MVZ, das in erster Linie mit angestellten Ärzten arbeite, gefördert. Zum anderen würden die Praxisinhaber mit immer neuen Regelungen drangsaliert. Der Anteil der Ärzte, die in einem MVZ tätig sind, hat sich seit 2012 von 4 auf 12 % verdreifacht. Der Anteil der Ärzte in Einzelpraxen sank von 53 auf 43 %. Doch Mediziner in MVZ behandeln deutlich weniger Patienten in der Woche als der Schnitt aller Ärzte, stellt Dr. Heinrich fest. Im Vergleich zu Gemeinschaftspraxen seien es gut ein Viertel weniger Patienten, im Vergleich zu allen niedergelassenen Ärzten rund 20 % weniger. In Einzelpraxen arbeiteten 90 % der Ärzte in Vollzeit, in MVZ nur 50 %.Teufelskreis mit Zerschlagen und Madigmachen
„Wir haben es also absehbar weniger mit einem Mangel an Ärzten, sondern in erster Linie mit einem Mangel an ärztlicher Arbeitszeit zu tun“, glaubt Dr. Gassen und warnt: „Wenn es nicht gelingt, den Teufelskreis aus Arbeitszeitverknappung, Zerschlagung selbstständiger Strukturen und Madigmachen eines geschätzten und gebrauchten Berufs zu durchbrechen, wird das System der ambulanten Versorgung, wie wir es heute kennen, früher oder später implodieren.“Beschimpft, beleidigt, bedroht und bei der Arbeit angegriffen
„Ich bemerke in meiner Praxis in einem Hamburger Problemkiez seit Jahren zunehmende Gewaltbereitschaft unter meinen Patienten“, erklärt HNO-Arzt Dr. Dirk Heinrich. „Die gesellschaftliche Enthemmung einerseits und das grenzenlose Anspruchsdenken andererseits nehmen bedenkliche Ausmaße an.“ Der Ärztemonitor fragte dieses Phänomen ab. Die Ergebnisse: Statistisch gesehen kommt es täglich zu mindestens 75 Fällen von körperlicher Gewalt gegen niedergelassene Ärzte und ihre Praxisteams. Jeder vierte Arzt ist während der Praxistätigkeit schon mal angegriffen oder physisch bedroht worden. 39 % der rund 8400 befragten Mediziner antworteten, dass sie in den letzten zwölf Monaten bei ihrer Praxisarbeit beschimpft, beleidigt oder verbal bedroht wurden.
NAV-Chef Dr. Heinrich fordert den Gesetzgeber auf, den Straftatbestand „Widerstand gegen oder tätlicher Angriff auf Personen, die Vollstreckungsbeamten gleichstehen (§ 115 StGB)“ zu erweitern und Ärzte in Klinik und Praxis mit aufzunehmen. Dadurch würden diese mit Rettungskräften, Feuerwehrleuten und Helfern des Katastrophenschutzes gleichgestellt. Außerdem empfiehlt er, verbal abzurüsten: „Wer Ärzte wahlweise als Pfuscher oder als korrupt darstellt, der darf sich nicht wundern, wenn auch die Patienten nach und nach die Hemmungen verlieren.“