Ärztetag – große Bühne für brisanten Stoff

Kolumnen Autor: Dr. Günter Gerhardt

Die Ärzteschaft sollte keine Konkurrenz durch andere Marktteilnehmer aufkommen lassen, so der Tenor in der Vertreterversammlung. Die Ärzteschaft sollte keine Konkurrenz durch andere Marktteilnehmer aufkommen lassen, so der Tenor in der Vertreterversammlung. © Fotolia/nutthaseth

Das Thema in unserer Praxiskolumne: Fernbehandlungsverbot, GOÄ-Reform und Telematikinfrastruktur – ein Ärztetag mit viel Diskussionsbedarf.

Der 121. Deutsche Ärztetag und die KBV-Vertreterversammlung (VV) in Erfurt erzeugten großen Medienrummel. Gut so, denn es ging um viele wichtige Themen.

Der geschundenen Seele des Vertragsarztes tut es gut, dass der KBV-Vorsitzende Dr. Andreas Gassen angesichts eines 28-Mrd.-Euro-Polsters die gesetzlichen Krankenkassen als Zechpreller bezeichnet, weil sie den Niedergelassenen mehr als 10 % der Leistungen nicht bezahlen, was 2,97 Mrd. Euro entspricht.

Klarheit bei der Telematikinfrastruktur wird erwartet

Von Bundesgesundheitsminis­ter Jens Spahn wird ein Ende der Budgetierung, sprich ein neues Vergütungssystem, erwartet sowie Klarheit bei Telematikinfrastruktur (TI). Dazu gehört die volle Kostenübernahme der TI-Komponenten. Prompt kam ein Brief des Minis­teriums bei den KVen an, dass die E-Card keineswegs obsolet sei.

An ärztlichen Stammtischen werden diese Themen heftig diskutiert, wie auch die Forderung des Münsteraner Kreises, die Zusatzbezeichnung Homöopathie abzuschaffen. Auf dem Ärztetag wurde dann geschickter Weise nicht darüber debattiert, Homöopathie bleibt als Zusatzweiterbildung erhalten. Die Palliativmedizin wurde sehr aufgeregt besprochen, dann aber sehr weise zugunsten der Haus­ärzte entschieden, dass sie weiterhin berufsbegleitend erworben werden kann.

Großes mediales Interesse erzeugte die Fernbehandlung. Wir wissen, der Bedarf ist da, 40 Mio. Bundesbürger suchen täglich nach Gesundheitsinfos im Netz. Die Ärzteschaft sollte keine Konkurrenz durch andere Marktteilnehmer aufkommen lassen, so der Tenor in der Vertreterversammlung. Interessant war es hier, auch die Meinung der Bundesvertretung der Medizinstudierenden zu hören, die laut eigenen Worten zu nahezu 100 % mit dieser digitalen Technik groß geworden ist. Die Studierenden seien zuversichtlich, dass sich durch die Fernkonsultation der Patientenkontakt nicht verringere, sondern eher intensiviere. Auch weil künftig der ärztliche Bereitschaftsdienst (116117) auch unbekannte Patienten nach dem Prinzip der 24-Stunden-Erreichbarkeit an sieben Tagen die Woche (24/7) beraten soll, votierte die KBV-VV für mehr Spielraum bei der Fernbehandlung.

Mit großer Mehrheit hat dann der Ärztetag für die Lockerung des Fernbehandlungsverbots gestimmt. Abgelehnt wurde von den Delegierten die Krankschreibung per Telefon oder Videokonferenz bei unbekannten Patienten, ebenso Verordnungen ausschließlich im Rahmen von Fernbehandlung. Vor einer Umsetzung dieser Entscheidungen in unseren Praxen, müssen die Landesärztekammern der Lockerung zustimmen, was ein bis zwei Jahre dauern dürfte.

Bei der GOÄ-Reform noch nicht völlig desillusioniert

Bei der GOÄ-Reform ist man noch nicht völlig desillusioniert. Es geht langsam voran, für einen Abschluss bedarf es noch der politischen Zustimmung. Eine Angleichung der GOÄ an den EBM lehnte der Ärztetag ab. Wenn überhaupt, dann könne nur die GOÄ eine Blaupause für eine Zusammenführung mit dem EBM sein.

Die sektorenübergreifende Versorgung besprach der Ärztetag am Beispiel der psychotherapeutischen Versorgung. Auch zusätzliche Medizinstudienplätze waren wieder ein Thema. Abgelehnte Abiturienten, die teilweise sieben Jahre auf einen Studienplatz warten und sog. Teilstudienplatzinhaber (Exmatrikulation nach dem Physikum) äußerten die Hoffnung, dass nach den Lippenbekenntnissen jetzt auch Taten folgen.

Heftig diskutiert wurden Sprach- und Kenntnisdefizite bei ausländischen Ärzten. Die Kolleginnen und Kollegen werden dringend gebraucht, es darf ihnen aber auch kein Persilschein ausgestellt werden. Künftig sollen Ärzte aus Drittstaaten ihre Fachkompetenz durch Ablegen einer bundeseinheitlichen Prüfung analog dem dritten Staatsexamen nachweisen