Corona-Impfverordnung Ärzt:innen warnen vor Chaos nach Neujahr

Gesundheitspolitik Autor: Michael Reischmann

Für die Überführung der COVID-19-Schutzimpfung in die Regleversorgung muss noch einiges geklärt werden – sonst droht Chaos. Für die Überführung der COVID-19-Schutzimpfung in die Regleversorgung muss noch einiges geklärt werden – sonst droht Chaos. © Aron M - Austria – stock.adobe.com

„Die COVID-19-Schutzimpfung in die Regelversorgung zu überführen, ist von der Sache her richtig, kann aber nicht in einer Hauruckaktion umgesetzt werden!“ KBV-Vize Dr. Stephan Hofmeister rät, die Corona-Impfverordnung mindestens bis April, besser bis zum Juni 2023 fortzuführen. Das gebe Zeit, die notwendigen Umstellungen einzuleiten.

Es stellt sich eine Auslegungsfrage: Was genau hat Bundesgesundheitsminister Prof. Dr. Karl Lauterbach gemeint mit einer Überführung in die „Regelversorgung“, als er ankündigte, die Corona-Impfverordnung zum Jahresende auslaufen lassen zu wollen? Wenn er mit „Regelversorgung“ meint, dass es zunächst bei der vom Bund verantworteten zentralen Impfstofflagerung und den bisherigen Lieferwegen bleibt und dass die Praxen einfach das Impfen von Impfzentren, Tierärzten & Co. mit übernehmen sollen, dann sei das machbar, erklärt Hausarzt Dr. Hofmeister. Das könnten die Praxen, die schließlich insgesamt rund 96 Mio. Impfungen gegen COVID-19 vorgenommen haben, leisten.

Reihenfolge ist: STIKO, G-BA, regionale Impfvereinbarung

Zumal „die neue Impfkampagne nicht zündet“, wie KBV-Chef Dr. ­Andreas Gassen feststellt. „Erst- und Zweitimpfungen gibt es so gut wie gar keine mehr, lediglich die zweite Booster-Impfung für Ältere wird noch nennenswert nachgefragt.“ Nachdem hierzulande fast 95 % der Menschen durch Impfung oder Infektion oder beides eine Grund­immunität gegen SARS-CoV-2 entwickelt hätten, habe die Ansteckung „für die allermeisten ihren Schrecken verloren und gehört zum normalen Alltagsrisiko“.

KBV will neue Systematik für Honorarverhandlungen

Die KBV will gegen die Festsetzung des Orientierungswertes für 2023 (plus 2 %) klagen. Spätestens in diesem Jahr der Energiekrise und mit über 10 % Inflation seien die Grenzen des „gesetzlich zementierten Verfahrens“ der Honorarverhandlungen, das der Entwicklung mit einem zeitlichen Versatz von einem Jahr oder mehr folgt, offenkundig geworden. „Die zugrundeliegende SGB-V-Regelung ist eine reine Schönwetterregelung“, meint KBV-Chef Dr. Andreas Gassen. „Wir brauchen eine neue, flexiblere Systematik, die es uns ermöglicht, einen Werterhalt der Arbeit in den Praxen sicherzustellen.“

„Regelversorgung“ im herkömmlichen Sinne meint dagegen, dass ausgehend von einer ggf. überarbeiteten STIKO-Empfehlung der G-BA seine Schutzimpfungsrichtlinie anpasst, die wiederum Grundlage für die regionalen Impfvereinbarungen zwischen den 17 KVen und den jeweiligen Krankenkassen(verbänden) ist. Das sei „über Weihnachten“ nicht zu schaffen, so Dr. Hofmeister. Ebensowenig wie eine Umstellung der Lieferwege. Bei einem Starttermin 1. Januar 2023 drohe „Chaos“.

Regressrisiko bei Verwurf von Vakzin-Resten ausschließen

Auch die im G-BA gegen die Stimmen der KBV getroffene Entscheidung, die COVID-Impfung „prophylaktisch“ in eine Schutzimpfungsrichtlinie zu überführen, löse das Problem nicht, da viele Rahmenbedingungen ebenfalls ungeklärt seien, unterstreicht der KBV-Vize. Wie es mit der Corona-Impfverordnung weitergeht, soll bei einer Anhörung am 12. Dezember geklärt werden.

Der Deutsche Hausärzteverband und seine 18 Landesverbände warnen ebenfalls vor den „unkalkulierbaren Folgen bei kurzfristigem Auslaufen der Corona-Impfverordnung“. Die Kolleginnen und Kollegen wüssten nicht, „woher sie ab 1. Januar Impfstoffe bekommen sollen, wie sie die Impfung abrechnen und welche finanziellen Risiken auf sie zukommen – diese Unsicherheit ist unverantwortlich“.

Dres. Gassen und Hofmeister stehen für 2023–2028 bereit

Die letzte KBV-Vertreterversammlung in der laufenden Legislaturperiode nutzten die Vorstände der KBV und die Delegierten für gegenseitige Dankesbekundungen. Die Zusammenarbeit, auch zwischen KBV und KVen, klappte gut. Tiefgreifende Konflikte wie in früheren Perioden gab es nicht. Dr. Andreas Gassen und Dr. Stephan Hofmeister wollen die nächsten sechs Jahre als KBV-Vorstände weiterarbeiten. Zu ihrem „Wahlangebot“ gehört als Dritte im Bunde die Ärztin Dr. Sibylle Steiner, derzeit Dezernentin im KBV-Geschäftsbereich Ärztliche und Veranlasste Leistungen. Sie würde Dr. Thomas Kriedel nachfolgen. Die konstituierende KBV-Vertreterversammlung findet am 2. und 3. März 2023 statt.

Wie die Hausärzteverbände fordert auch die KBV, dass die Praxen endlich Einzeldosen erhalten müssen, um den Verfall einer Unmenge von Impfstoff zu vermeiden und um die Ärzte vor Regressen zu schützen, wenn sie keine Abnehmer für die Impfungen finden. Allerdings weiß sie auch, dass Hersteller die Lieferung von Einzeldosen frühestens fürs zweite Halbjahr 2023 avisieren.

Angesichts 13 im Markt befindlicher Corona-Impfstoffe moniert Dr. Hofmeister das tagesaktuelle Impfmonitoring. Es verursache in den Praxen viel Aufwand, was aber in keinem Verhältnis zum Erkenntnisgewinn stehe. „Auch die impfstoff-spezifischen Dokumentations- und Abrechnungsziffern, die numerische Zählung der durchgeführten Impfungen sowie die Angabe der Chargennummer gehören abgeschafft.“

Quelle: KBV-Vertreterversammlung