Arzt filmt Mitarbeiterin beim Ausziehen – Zulassung futsch!
In der Praxis ankommen, Schuhe und Jeans aus, weiße Hose an, Hose zurechtgezuppelt, Pulli und Unterhemd aus, BH zurechtgezuppelt, weißes T-Shirt an, Haferflocke im Zahnzwischenraum entdeckt und rausgepult. Wie jeden Morgen. Und eines Morgens beim Pferdeschwanz richten im Spiegel eine kleine Kamera in der Ecke entdeckt.
So muss man sich wohl vorstellen, wie es den Zahnarzthelferinnen eines thüringischen Vertragszahnarztes erging, die 2012 eine versteckte Kamera in ihrem Umkleideraum entdeckten. Über sechs Jahre hinweg lieferte die Kamera ihrem Arbeitgeber ohne deren Wissen Bilder vom täglichen Aus- und Anziehen.
Der Berufungsausschuss der Kassenzahnärztlichen Vereinigung entzog dem Zahnarzt seine Zulassung. Eine Klage dagegen wurde vom Sozialgericht Gotha abgewiesen. Und gleichzeitig die Revision zugelassen, da zwar klar ist, dass einem Vertragsarzt die Zulassung zu entziehen ist, wenn er „seine vertragsärztlichen Pflichten gröblich verletzt“ (SGB V), aber noch nicht juristisch geklärt war, wann die Verletzung des Grundrechts auf informationelle Selbstbestimmung als gröbliche Pflichtverletzung anzusehen ist.
„Für die vetragsärztliche Tätigkeit ungeeignet“
Das Thüringer Landessozialgericht bestätigte jetzt die Auffassung des Berufungsausschusses und des Sozialgerichts, dass der Arzt aufgrund dieser gröblichen Pflichtverletzung für die Ausübung der vertragszahnärztlichen Tätigkeit ungeeignet sei. Der Senat folgte nicht der Auffassung des Arztes, dass schwere Pflichtverstöße nur in Bezug auf die Patienten oder das System der vertragszahnärztlichen Versorgung begründet sein können. Diese könne sich auch aus dem Verhalten gegenüber den Praxisangestellten ergeben.
Die Anfertigung unerlaubter Bildaufnahmen in der Umkleidekabine stelle – unabhängig von der damit verfolgten Motivation – einen erheblichen Eingriff in die Intim- und Privatsphäre der Mitarbeiterinnen dar und in das Grundrecht auf informationelle Selbstbestimmung, in der Schwere vergleichbar mit einer sexuellen Belästigung am Arbeitsplatz. Der Arzt habe also seine ArbeitgebersteIlung für einen schweren Eingriff in die Grundrechte seiner Mitarbeiterinnen missbraucht. Daraus folge seine Ungeeignetheit für die Ausübung der vertragszahnärztlichen Tätigkeit. Der Arztberuf stellt besondere Anforderungen an die charakterliche Eignung desjenigen, der ihn ausübt.
Arzt entkommt nur knapp strafrechtlichen Folgen
Der Dentist hatte übrigens noch Glück: Ein Verfahren vor dem Arbeitsgericht Gera wurde nach Zahlung von Schmerzensgeld einvernehmlich beendet. Und strafrechtlich? Das zu dem Zeitpunkt geltende Strafrecht sah eine Verfolgung der Tat nur auf Antrag vor – die Strafanzeigen hatten die MFA jedoch zurückgezogen. Seit dem 27. Januar 2015 ist auch eine Strafverfolgung von Amts wegen möglich. Dann wäre es dem Zahnarzt wohl noch ganz anders an den Kragen gegangen.
Urteil vom 20.11.2017, Az.: L 11 AK 807/16