Behandlungsfehler: AOK holt sich Millionen Euro zurück
Seit 2001 betreibt die Krankenkasse ihr Kompetenzzentrum Medizin für ihre Versicherten in Westfalen-Lippe und Schleswig-Holstein. Rund 11 300 Versicherte nutzten seit Beginn dieses spezielle Behandlungsfehlermanagement. Ein zehnköpfiges Team um Dr. Holger Thomsen, Arzt und Jurist, geht den Verdachtsfällen nach, erstellt eigene Gutachten oder organisiert und bewertet externe Gutachten.
AOK darf nur ihre eigenen Ansprüche geltend machen
In rund 20 % der Fälle werde der Verdacht auf einen Behandlungsfehler bestätigt. In diesen Fällen tritt die AOK mit eigenen Regressansprüchen an die Haftversicherung des beschuldigten Arztes heran.
„Dabei haben wir gerichtlich oder im Vergleich mit Haftpflichtversicherern bisher insgesamt 27,2 Millionen Euro erfolgreich durchgesetzt“, so Dr. Thomsen. Wird kein beweisbarer Medizinschaden festgestellt oder es handelt sich um unberechtigte Vorwürfe der Patienten, unterstütze die AOK die Ärzte bei der Aufklärung der Patienten.
Die Krankenkasse darf nur ihre eigenen Ansprüche geltend machen. Anfallende Anwalts- oder Prozesskosten für ihre Kunden darf sie nicht übernehmen. „Allerdings können unsere Versicherten auf die Beweislage im Regressprozess der AOK Nordwest zurückgreifen und auf diesem Wege ihr Prozesskostenrisiko bei der Durchsetzung eigener Forderungen wie Schadenersatz oder Schmerzensgeld minimieren“, erläuterte Dr. Thomsen.
Vor allem in den operativen Fachrichtungen wie Chirurgie, Orthopädie oder Gynäkologie werde häufig der Vorwurf eines Behandlungsfehlers erhoben. „Hier sind mögliche Fehler für die Versicherten eher ersichtlich, zum Beispiel bei Lähmungen oder Verbrennungen nach Operationen“, so Dr. Thomsen.
Auf Komplikationen wird nicht adäquat reagiert
Häufig würden Schäden nur deshalb entstehen, weil auf eine ohne Verschulden eingetretene Komplikation nicht richtig oder nicht rechtzeitig reagiert werde. Dies passiere z.B. bei Entzündungen in Gelenken nach Injektionen, bei Venenentzündungen, Thrombosen oder bei Bauchfellentzündungen nach operativen Eingriffen im Bauchraum. Ärger gebe es immer wieder bei der Schadensregulierung durch Haftpflichtversicherungen.
Daher fordert Martin Litsch, Vorstandsvorsitzender der AOK Nordwest, dass die Ärztekammern die gesetzliche Verpflichtung einer hinreichenden Versicherung der Mediziner gegen Haftpflichtansprüche verbindlich kontrollieren und bei Nichteinhaltung sanktionieren sollten. Dann sei der Arzt bei möglichen Behandlungsfehlern abgesichert und Schadenersatzansprüche zugunsten der Geschädigten könnten auch realisiert werden. Im Moment könnten drei Ärzte aufgrund ihrer zu geringen Berufshaftpflicht-Deckung nicht zahlen.
An die zuständigen Gerichte appellierte Litsch, künftig die Gutachten medizinischer Sachverständiger kritischer und objektiver zu würdigen. Von dieser Kritik nahm der Dortmunder AOK-Vorstandschef die Gutachterkommissionen der Ärztekammern ausdrücklich aus.