Patienten kommen oft nicht zu ihrem Recht
Das vor vier Jahren von der schwarz-gelben Koalition auf den Weg gebrachte Patientenrechtegesetz ist nach Auffassung einer Mehrheit der Gesundheitspolitiker im Bundestag ein unscharfes Schwert – und fast alle scheinen Nachbesserungen in der kommenden Legislaturperiode anzustreben. Und das wahrscheinlich zulasten der Ärzteschaft, wie kürzlich bei einer Diskussionsveranstaltung des Spitzenverbandes der Gesetzlichen Krankenversicherungen (GKV) in Berlin deutlich wurde. Kritik wurde allerdings auch am Hausherrn geübt. Die Kassen ließen Betroffene viel zu oft alleine, so die Parlamentarier. Und Ärzte würden das System regelrecht unterlaufen – teilweise sogar mit nahezu krimineller Energie.
Patient und Arzt begegnen sich nicht auf Augenhöhe
Das Gesetz führte bei seiner Einführung dazu, dass viele gesetzlich Versicherte bei Behandlungsfehlern verstärkt beraten wurden. Allerdings sei dies noch lange nicht ausreichend, monierte Helga Kühn-Mengel, Patientenrechtebeauftragte der SPD-Bundestagsfraktion. „Die Rolle der Kassen würde ich stärker betonen bei der Weiterentwicklung des Gesetzes“, sagte sie. Patienten und Ärzte würden sich bisher „nicht auf Augenhöhe“ begegnen.
Für eine Verpflichtung, Patienten besser zu beraten, sprach sich auch Maria Klein-Schmeink, gesundheitspolitische Sprecherin der Bundestagsfraktion von Bündnis 90/Die Grünen aus. „Wir müssen Anforderungen definieren“, erklärte sie, es gebe eine sehr unterschiedliche Betreuungstiefe bei den einzelnen Kassen. Dazu gehöre auch eine Professionalisierung der Medizinischen Dienste der Krankenkassen (MDK). „Ich habe MDK-Kleinstgutachten gesehen, die hätte ich auch selbst schreiben können“, so Klein-Schmeink.
Gernot Kiefer, Vorstand des GKV-Spitzenverbandes, räumte ein, dass es durchaus Unterschiede bei der Beratungskompetenz der Kassen gibt: „Das kann man nicht übersehen.“ Gleichzeitig wies er einen großen Teil der Schuld den Ärzten zu. „Oft liegt das daran, dass Ärzte sehr zögerlich Unterlagen an Kassen und MDK schicken“, sagte Kiefer. Ein Punkt, in dem sich Vertreter aller Parteien nahezu einig waren.
Dokumente sind manipuliert oder verschwinden
Es komme „leider vor, dass Dokumentationen verschwinden“, kritisierte Reiner Meier, CSU-Mitglied im Gesundheitsausschuss. „In vielen Fällen dauert es Jahre, bis Unterlagen da sind“, warf Kühn-Mengel ein.
Kathrin Vogler, Sprecherin für Patientenrechte der Linken-Bundestagsfraktion, sagte, dass Unterlagen nicht nur verschwinden oder nicht herausgegeben werden, sondern teilweise auch von den Ärzten „manipuliert“ würden. Nötig sei daher eine einheitliche Software, die nachträgliche Änderungen erkennbar mache.
Zustimmung fand die Idee eines Fonds für Opfer von Behandlungsfehlern, die nicht eindeutig beweisen könnten, dass es einen ursächlichen Zusammenhang zwischen Fehler und Schaden gegeben habe. Eine entsprechende Initiative haben gerade Bayern und Hamburg in den Bundesrat eingebracht. Bei Patienten sorgte ein Fonds für ein „Gerechtigkeitsgefühl“, sagte Klein-Schmeink, gleichzeitig würden Ärzte entlastet. Auch die Sozialdemokratin Kühn-Mengel sprach sich für einen Fonds aus, und zwar als Bundesstiftung.
Forderung: Beweislastumkehr bei klaren Haftungsfällen
Diskutiert werden müsste auch über eine Beweislastumkehr bei klaren Haftungsfällen. Seien Schaden und Fehler bewiesen, muss es laut Klein-Schmeink beim Arzt liegen, einen Zusammenhang zu widerlegen.
Sogar für eine komplette Beweislastumkehr plädierte Vogler von den Linken. Und zwar für jene Fälle, in denen Ärzte Unterlagen vorenthielten. „Viele Patienten kommen einfach nicht zu ihrem Recht“, beklagte sie.