Bereiten Sie sich vor! Irgendwann werden Sie aggressiven Patienten gegenüberstehen
© fotolia/Tombaky
Nach längerer Wartezeit in der Notfallambulanz, während andere Patienten eher drankommen als der Vater mit seinem fiebernden Kind, fängt dieser an, dass Personal zu beschimpfen, auf die Theke zu hauen und mit Schlägen zu drohen. "Das ist inzwischen Alltag in der Notfallpraxis", berichtet Dr. Carsten König, Vorstand der KV Nordrhein und langjähriger Vorsitzender des Trägervereins der Notfallpraxis Düsseldorf. Die Hemmschwelle der Patienten sei in den letzten zehn Jahren dramatisch gesunken.
Auf Bitten der Mitarbeiter werden die Räume der Notfallpraxis Düsseldorf inzwischen videoüberwacht. Aber eigentlich müssten sie durch Sicherheitspersonal geschützt werden, meint Dr. König. Denn trotz der gut sichtbaren Hinweise auf die Videoüberwachung gehe das aggressive Verhalten nicht zurück.
Dass das keine Einzelfälle sind, belegt eine Studie aus dem Jahr 2015. Dr. Florian Vorderwülbecke, Hausarzt in Deisenhofen bei München, hat zusammen mit anderen Autoren rund 1500 Kollegen befragt. Danach sind 91 % der 831 Hausärzte, die an der Befragung teilnahmen, während ihrer beruflichen Tätigkeit schon einmal mit aggressivem Verhalten von Patienten konfrontiert gewesen. Jeder Zehnte gab sogar an, schwere Aggression erlebt zu haben.
Auch Videoüberwachung dämmt Aggression nicht ein
Es seien vor allem jüngere männliche Patienten, die partout nicht begreifen wollten, dass sie warten müssten und dass das Personal auch eine Priorisierung der Behandlung vornehme. "Sie treffen auf unser weibliches Praxispersonal und werden auf der Stelle aggressiv, wenn ihr Verlangen nach sofortiger Behandlung zurückgewiesen wird", so Dr. König.Auf Bitten der Mitarbeiter werden die Räume der Notfallpraxis Düsseldorf inzwischen videoüberwacht. Aber eigentlich müssten sie durch Sicherheitspersonal geschützt werden, meint Dr. König. Denn trotz der gut sichtbaren Hinweise auf die Videoüberwachung gehe das aggressive Verhalten nicht zurück.
Dass das keine Einzelfälle sind, belegt eine Studie aus dem Jahr 2015. Dr. Florian Vorderwülbecke, Hausarzt in Deisenhofen bei München, hat zusammen mit anderen Autoren rund 1500 Kollegen befragt. Danach sind 91 % der 831 Hausärzte, die an der Befragung teilnahmen, während ihrer beruflichen Tätigkeit schon einmal mit aggressivem Verhalten von Patienten konfrontiert gewesen. Jeder Zehnte gab sogar an, schwere Aggression erlebt zu haben.
Gefährdung in der Psychiatrie
Eine andere besonders gefährdete Gruppe sind die Psychiater. Nach Auffassung von Dr. Frank Bergmann, Chef der KV Nordrhein und langjähriger Vorsitzender des Berufsverbands der Nervenärzte und Psychiater, gehören sie neben Polizisten zu den meistgefährdeten Personen. Er erinnert an den Fall einer 52-jährigen Kollegin, die in Saarbrücken von einem Patienten in der Gemeinschaftspraxis am Empfangstresen erschossen wurde. Von einer Zunahme der tätlichen Übergriffe auf ärztliches und Pflegepersonal im stationären psychiatrischen Bereich berichtet auch das Landesgesundheitsministerium in Nordrhein-Westfalen.
Aggressive Angriffe auf das Personal seien gestiegen, "zunehmend auch mit längerfristigen gesundheitlichen Folgen für die Betroffenen". Da sich die Berichte zur Notwendigkeit psychologischer Krisenintervention bis hin zu psychotherapeutischer Behandlung beim betroffenen Personal mehren, will das Ministerium die Entwicklung stärker beobachten.
Aggressive Angriffe auf das Personal seien gestiegen, "zunehmend auch mit längerfristigen gesundheitlichen Folgen für die Betroffenen". Da sich die Berichte zur Notwendigkeit psychologischer Krisenintervention bis hin zu psychotherapeutischer Behandlung beim betroffenen Personal mehren, will das Ministerium die Entwicklung stärker beobachten.
Das reichte von Vorkommnissen wie „Nächtlicher Bereitschaftsdienst, Hausbesuch wegen beklagtem Oberbauchschmerz, C2-Kontinuitätsdelir, Angriff mit Stichwaffe, Flucht meinerseits durch‘s Fenster” bis "Patient wollte Diazepam haben, Messerattacke, nur durch Polizeieinsatz wurde Gefahr beendet". Auch Dr. Vorderwülbecke sah sich schon einem Messerangriff durch einen drogenabhängigen Patienten ausgesetzt.
Die Studie kommt zu dem Schluss: Vor allem im Notfalldienst scheint es für Ärztinnen am gefährlichsten zu sein. Bei Hausbesuchen fühlten sich 66 % der Ärztinnen und 34 % der Ärzte nicht sicher. Das Resümee der Autoren: "Hausärzte sollten sich darauf vorbereiten, dass sie im Verlauf ihrer Tätigkeit mit hoher Wahrscheinlichkeit Formen von Aggression gegenüberstehen werden." Die in weiten Teilen Deutschlands übliche Praxis, Ärzte im Bereitschaftsdienst alleine und ohne Sicherheitsstruktur zu meist unbekannten Patienten zu schicken, sollte kritisch hinterfragt werden.
Als Schutzmaßnahmen wären Rückmeldesysteme nach erfolgtem Besuch oder Diensttelefone mit Alarmfunktion denkbar. Dr. Vorderwülbecke hält im Gespräch mit der Medical Tribune vor allem medizinisch geschulte Fahrer für notwendig, die Ärztinnen bei ihren Hausbesuchen begleiten und tatsächlich mit in die Wohnung gehen. Gerade auch im Hinblick auf den wachsenden Anteil von Ärztinnen beim hausärztlichen Nachwuchs müssten Lösungen gefunden werden.
"Bereiten Sie sich auf diese eskalierenden Konfliktsituationen vor", empfiehlt Dr. Vorderwülbecke seinen Kollegen. In Zusammenarbeit der KV Bayerns und der bayerischen Polizei bietet der Allgemeinarzt Trainingseinheiten für seine Kollegen an.
Vor allem der Blick für Gefahrensituationen soll in den Seminaren geschärft werden. Seine Kollegen hätten nur die Medizin im Kopf und würden selbst ein Messer in der Hand des Patienten übersehen. Doch diesen Blick könne man schulen. Die Kollegen könnten auch lernen, sich Fluchtwege einzuprägen und Hunde in ein abgeschlossenes Zimmer bringen zu lassen.
Zu dieser aktiven Kommunikation rät Dr. Vorderwülbecke auch in Notfallenpraxen/-ambulanzen. Ein Beispiel sei die Wiesenwache auf dem Münchner Oktoberfest. Da halte sich ein sog. Sichtungsarzt mit seinem Team im Wartebereich auf und könne so nicht nur triagieren, sondern auch aktiven Kontakt zu den Patienten halten und deeskalierend auch auf das nicht immer einfache Wiesenklientel einwirken.
Natürlich gebe es Patienten, die grundsätzlich gefährlich seien. "Da muss man konsequent die Grenzen einhalten und sich auf nichts einlassen", erläutert Dr. Vorderwülbecke. Auch er meint, dass man dauerhaft nicht ohne einen Sicherheitsdienst in den Notfalleinrichtungen auskommen wird. "Aber einen, der auch eingreifen kann, wenn es nötig wird", verlangt der Hausarzt.
"Gewalt gegen Ärzte muss stärker bestraft werden", meint auch der Präsident der Bundesärztekammer, Professor Dr. Frank Ulrich Montgomery. Er fordert die Politik auf, Ärzte besser vor der zunehmenden Aggressivität von Patienten zu schützen. Der aktuelle Gesetzesbeschluss zur Änderung des Strafrechts sieht vor, dass Personen, die Feuerwehrleute oder Rettungskräfte angreifen, künftig mit bis zu fünf Jahren Haft rechnen müssen.
Die Studie kommt zu dem Schluss: Vor allem im Notfalldienst scheint es für Ärztinnen am gefährlichsten zu sein. Bei Hausbesuchen fühlten sich 66 % der Ärztinnen und 34 % der Ärzte nicht sicher. Das Resümee der Autoren: "Hausärzte sollten sich darauf vorbereiten, dass sie im Verlauf ihrer Tätigkeit mit hoher Wahrscheinlichkeit Formen von Aggression gegenüberstehen werden." Die in weiten Teilen Deutschlands übliche Praxis, Ärzte im Bereitschaftsdienst alleine und ohne Sicherheitsstruktur zu meist unbekannten Patienten zu schicken, sollte kritisch hinterfragt werden.
Als Schutzmaßnahmen wären Rückmeldesysteme nach erfolgtem Besuch oder Diensttelefone mit Alarmfunktion denkbar. Dr. Vorderwülbecke hält im Gespräch mit der Medical Tribune vor allem medizinisch geschulte Fahrer für notwendig, die Ärztinnen bei ihren Hausbesuchen begleiten und tatsächlich mit in die Wohnung gehen. Gerade auch im Hinblick auf den wachsenden Anteil von Ärztinnen beim hausärztlichen Nachwuchs müssten Lösungen gefunden werden.
"Bereiten Sie sich auf diese eskalierenden Konfliktsituationen vor", empfiehlt Dr. Vorderwülbecke seinen Kollegen. In Zusammenarbeit der KV Bayerns und der bayerischen Polizei bietet der Allgemeinarzt Trainingseinheiten für seine Kollegen an.
Vor allem der Blick für Gefahrensituationen soll in den Seminaren geschärft werden. Seine Kollegen hätten nur die Medizin im Kopf und würden selbst ein Messer in der Hand des Patienten übersehen. Doch diesen Blick könne man schulen. Die Kollegen könnten auch lernen, sich Fluchtwege einzuprägen und Hunde in ein abgeschlossenes Zimmer bringen zu lassen.
Vor jedem Hausbesuch ein Anruf beim Patienten
Vor allem aber setzt Dr. Vorderwülbecke auf Kommunikation zur Gefahrenabwehr. Je länger die Wartezeiten seien, desto angespannter und möglicherweise aggressiver würden die Patienten. Deshalb ruft Dr. Vorderwülbecke vor jedem Hausbesuch beim Patienten an. "Dann höre ich schon, wie er drauf ist und kann ihm erklären, warum es länger dauert", erklärt der Hausarzt.Zu dieser aktiven Kommunikation rät Dr. Vorderwülbecke auch in Notfallenpraxen/-ambulanzen. Ein Beispiel sei die Wiesenwache auf dem Münchner Oktoberfest. Da halte sich ein sog. Sichtungsarzt mit seinem Team im Wartebereich auf und könne so nicht nur triagieren, sondern auch aktiven Kontakt zu den Patienten halten und deeskalierend auch auf das nicht immer einfache Wiesenklientel einwirken.
Natürlich gebe es Patienten, die grundsätzlich gefährlich seien. "Da muss man konsequent die Grenzen einhalten und sich auf nichts einlassen", erläutert Dr. Vorderwülbecke. Auch er meint, dass man dauerhaft nicht ohne einen Sicherheitsdienst in den Notfalleinrichtungen auskommen wird. "Aber einen, der auch eingreifen kann, wenn es nötig wird", verlangt der Hausarzt.
BÄK: Gewalt gegen Ärzte muss stärker bestraft werden
Ärgerlich findet der Allgemeinarzt, dass im Gesetz zur Stärkung des Schutzes von Polizei und Rettungskräften, das der Bundesrat am 12. Mai verabschiedet hat, die Niedergelassenen im Bereitschaftsdienst nicht auftauchen. "Wenn ich die rote Weste als Notarzt anhabe, soll ich durch das Gesetz geschützt werden, wenn ich als Vertragsarzt unterwegs bin, nicht.""Gewalt gegen Ärzte muss stärker bestraft werden", meint auch der Präsident der Bundesärztekammer, Professor Dr. Frank Ulrich Montgomery. Er fordert die Politik auf, Ärzte besser vor der zunehmenden Aggressivität von Patienten zu schützen. Der aktuelle Gesetzesbeschluss zur Änderung des Strafrechts sieht vor, dass Personen, die Feuerwehrleute oder Rettungskräfte angreifen, künftig mit bis zu fünf Jahren Haft rechnen müssen.
Quelle: Medical-Tribune-Bericht