Der elektronische Medikationsplan im Test
Sabine Bätzing-Lichtenthäler (SPD) ist seit November 2014 rheinland-pfälzische Ministerin für Soziales, Arbeit, Gesundheit und Demografie. Außerdem ist sie in diesem Jahr die Vorsitzende der Gesundheitsministerkonferenz der Länder. Dort will sie demnächst das „wegweisende“ Modellprojekt „Vernetzte Arzneimitteltherapiesicherheit mit dem elektronischen Medikationsplan in Rheinland-Pfalz“ vorstellen.
Es soll wichtige Erkenntnisse für das eHealth-Gesetz der Großen Koalition in Berlin besteuern. Diese plant, Patienten mit Polymedikation ab Oktober 2016 mit einem freiwilligen Medikationsplan in Papier- bzw. möglicherweise ab 2018 auch in elektronischer Form ausstatten zu lassen. Ziel ist es, unerwünschte Wirkungen, Doppelverordnungen oder Wechselwirkungen von Arzneimitteln zu reduzieren. Die zentrale Rolle wird dabei der Hausarzt einnehmen.
Das ist bei dem Modell in Rheinland-Pfalz etwas anders. Dort nimmt das Krankenhaus die Initialfunktion ein. Und das geht so: Innerhalb der nächsten sechs Monate sollen an fünf Krankenhäusern in Trier, Kaiserslautern, Koblenz, Bad Kreuznach und Mainz jeweils 120 Patienten freiwillig zu einer sechs Monate langen Teilnahme gewonnen werden.
600 Patienten aus fünf Krankenhäusern
Die Patienten müssen über 18 Jahre alt sein, dauerhaft mindestens drei Arzneimittel gleichzeitig einnehmen und ihren Hausarzt sowie einen „Stammapotheker“ benennen. Die beiden werden dann kontaktiert und mit Codes für einen gesicherten Online-Zugang zu dem Projekt-Server ausgestattet. Das Honorar für die Medikationsplanpflege beträgt übrigens 30 Euro pro Quartal und Patient, sagte der Eltviller IT-Berater Till Moysies am Rande der Pressekonferenz des Ministeriums.
Hausarzt erläutert, ändert und erneuert den Arznei-Plan
Das Krankenhaus, das bei der stationären Aufnahme der Patienten dessen bisherige Medikation erfasst, gibt diesem bei der Entlassung einen aktuellen ausgedruckten Medikationsplan – gemäß der Vorlage der Arzneimittelkommission der deutschen Ärzteschaft – mit. Mit dem geht der Patient zu Hausarzt und Apotheker. Werden dort Änderungen bei der Arzneitherapie notwendig, z.B. wegen neuer Rabatt-Präparate oder zusätzlicher OTCs, kann sich der Arzt bzw. Apotheker – allerdings nur unter gleichzeitiger Nutzung der PIN des Patienten – auf dem Projekt-Server einwählen, die Änderungen in der Datenbank eintragen und speichern sowie einen neuen Plan auf Blankopapier ausdrucken und dem Patienten mitgeben.
Das Testprojekt läuft bis Anfang 2016. Professor Dr. Irene Krämer, Direktorin der Apotheke der Universitätsmedizin Mainz, erklärt, was man unter anderem erfahren möchte: Wie ist es mit der Praktikabilität und dem Nutzungsgrad des Plans bestellt? Wie ist seine Akzeptanz bei Patienten, Ärzten und Apothekern? Werden damit wirklich Arzneitherapiesicherheit und -treue verbessert?
Dafür werden nicht nur – anonymisiert – Daten ausgelesen wie z.B. die Zeit, die vergeht zwischen dem Einloggen in die Datenbank und dem Ausdrucken eines neuen Plans, sondern auch Befragungen vorgenommen und Vergleiche angestellt, etwa zwischen dem letzten ausgedruckten Medikationsplan und der tatsächlichen Arzneimitteleinnahme eines Patienten.
Wie viel Zeit verstreicht bei Änderungen des Plans?
Interessant werden auch Rückmeldungen zum praktischen Ablauf sein. Reicht der Arzt dem Patienten seine PC-Tastatur über den Tisch, damit dieser seine PIN eingeben kann – und wie klappt es in der Apotheke?
Dr. Andreas Kiefer, Präsident der Landesapothekerkammer Rheinland-Pfalz, sieht einen besonderen Charme des Modells darin, dass mit dem Zeitpunkt der Krankenhausentlassung ein „Nullpunkt“ gesetzt wird, bei dem die Patienten sehr aufgeschlossen für die Therapie und den Medikationsplan sein werden. Doch was passiert dann in den folgenden sechs Monaten?
Die Kosten des Projekts beziffert Ministerin Bätzing-Lichtenthäler mit rd. 587 000 Euro. Das Land trägt davon gut 300 000 Euro, die Techniker Krankenkasse beteiligt sich mit 45 000 Euro und die Universitätsmedizin Mainz als projektdurchführende Instanz mit 238 000 Euro.
Die Ministerin erwartet einen großen Lerneffekt von dem Projekt – speziell für die kommenden Anwendungen der Gesundheitskarte und der Telematik-Infrastruktur.