Die neuen Trümpfe der KBV sollen stechen - Neustart mit alternativlosem Vorstandsteam
"Wir werden ein erfolgreiches Team sein und Ihrem Wunsch nach einem ,Reset‘ gerecht werden." Mit diesen Worten stellte sich Volkswirt Dr. Thomas Kriedel (67) zur Wahl für den neuen Posten eines dritten KBV-Vorstandsmitglieds, das entsprechend den Vorgaben des GKV-Selbstverwaltungsstärkungsgesetzes weder dem haus- noch dem fachärztlichen Versorgungsbereich angehören darf.
Zu diesem Zeitpunkt waren Dr. Stephan Hofmeister (51), bisher KV-Vize in Hamburg, als hausärztliches Vorstandsmitglied mit 51,83 von 60 Stimmen und KBV-Chef Dr. Andreas Gassen (54) als fachärztliches Vorstandsmitglied mit 46,34 Stimmen bereits klar gewählt. (Die krummen Zahlen kommen durch die "Parität" zustande – die unterschiedliche Gewichtung der haus- und fachärztlichen Stimmen in der Vertreterversammlung.)
Mit Kompromissen ans Ziel kommen
Dass ein nicht ärztliches Mitglied in einem Dreiervorstand erfolgreich sein kann, machte Dr. Kriedel an seiner Arbeit bei der KV Westfalen-Lippe fest, wo er zwölf Jahre lang im Vorstand für Ressorts wie Finanzen, Personal und IT zuständig war. Über sich selbst sagt er: "Ich kann mich mit Kompromissen durchsetzen." Während seiner Tätigkeit als Bevollmächtigter der KBV bei der Gematik hat er gelernt, dass auf Bundesebene im politischen Geschäft Kompromisse notwendig sind – zumal die KBV nach den Affären und juristischen Auseinandersetzungen der letzten Jahre "nicht mehr das Standing hat, das sie einmal hatte".
Das neue Vorstandsteam blickt nach vorne. Im KBV-Konzept 2020 sieht KBV-Chef Dr. Gassen den "roten Faden" für die kommenden Jahre. Demnach gehören zu den "drängendsten Themen, für die wir weitere Lösungen entwickeln müssen":
- Mehr Kooperation zwischen ambulantem und stationärem Sektor beim Belegarztwesen, mit neuen Versorgungsformen und einer Neuausrichtung von Bereitschaftsdienst und Notfallversorgung.
- Bessere Zusammenarbeit mit anderen Gesundheitsberufen wie NäPa oder Physician Assistant.
- Vorantreiben „sinnvoller“ Digitalisierungslösungen, die "nicht allein aus dem Budget der Praxen" bezahlt werden.
- Koordinierte Inanspruchnahme medizinischer Leistungen, die bei der "Eigenverantwortung" der Patienten ansetzt.
KBV-Vize Dr. Hofmeister kündigte an: "Kritisch, sachlich, ernsthaft und deutlich hörbar wollen wir in der Bundespolitik sein." Als einen Erfolg seiner dreijährigen Amtszeit erwähnte Dr. Gassen einen Zuwachs der Gesamtvergütung von "über 8 %" im Zeitraum der ersten Halbjahre 2014 bis 2016. Dieser wäre sogar noch höher ausgefallen, wenn die extrabudgetäre Vergütung der NäPa komplett abgerufen worden wäre.
Wollen in der Bundespolitik hörbar sein
Dr. Gassen bezifferte den Honorarumsatz auf nunmehr 35,2 Mrd. Euro. „Was aber noch nicht ausreicht“, wie der Orthopäde mit Blick auf den avisierten Facharzt-EBM und die Bezahlung psychotherapeutischer Leistungen sagte. Grundsätzlich dürfe es keine Leistungsausweitung ohne mehr Honorar geben. Und die NäPa-Vergütung müsse so attraktiv geregelt werden, dass die erwünschte Entlastung der Ärzte eintrete („keine virtuellen Gelder“).
Auf eine Aussprache zu den Ausführungen des alten wie neuen KBV-Chefs verzichteten die Delegierten der Vertreterversammlung, was deren neue Vorsitzende Dr. Petra Reis-Berkowicz mit den Worten quittierte: „Damit ist alles gesagt. So klar war’s noch nie.“
Dementsprechend bekräftigten die KBV-Abgeordneten nach der Vorstandswahl ihren Willen „zur fairen sachorientierten Zusammenarbeit“ in einer Resolution: „Damit ist die Basis geschaffen für eine Selbstverwaltung, die sich das Vertrauen von Politik und Bundesgesundheitsministerium zurückerobert und keine weiteren Eingriffe der Rechtsaufsicht benötigt.“
Gelingt es der KBV, die alten Gräben zuzuschütten?
Der Deutsche Hausärzteverband, der die Kandidatur Dr. Hofmeisters diesmal (anders als 2012) mittrug, kommentierte die alternativlose Besetzung der KBV-Spitze positiv. Mit dem Vorstandsmitglied des Bayerischen Hausärzteverbandes, Dr. Reis-Berkowicz, die sich schon bei der KV Bayerns als VV-Vorsitzende bewährt hat, weiß er eine enge Vertraute an einer Stelle mit Aufsichtsratsverantwortung. Inhaltlich fordert er, dass "eine weitere Aushöhlung des Hausarztberufes, wie es beispielsweise im Geriatrie-Konzept der KBV angelegt ist, keineswegs fortgesetzt werden darf".
Der Spitzenverband Fachärzte verbindet mit dem KBV-Trio "auch die Hoffnung auf neue Wege im Umgang und konstruktiven Miteinander zwischen dem KV-System und den hausärztlichen und fachärztlichen Berufsverbänden". Gelingt es der KBV, die alten Gräben zuzuschütten?
Zu den "immer noch schwelenden Konflikten in der KBV" zählt der Vorstandschef von Medi-Geno, Dr. Werner Baumgärtner, den Hausarzt-Facharzt-Konflikt (den es laut Dr. Gassen nicht gibt) sowie die Konkurrenz zwischen Kollektiv- und Selektivverträgen, zwischen selbstständigen und angestellten Ärzten, zwischen hauptamtlich und ehrenamtlich tätigen KBV-Vertretern. "Gelingt es der KBV nicht, diese Gräben zuzuschütten, sinken ihre Akzeptanz und ihre Politikfähigkeit weiter."
Quelle: Medical-Tribune-Bericht