Stiftung Eurotransplant „Ein großer Spender- und Empfänger-Pool macht es einfacher“

Gesundheitspolitik Autor: Nierenarzt / Nierenärztin 3/24

Eurotransplant erhöht die Wahrscheinlichkeit, ideale Matches zwischen Spender:in und Empfänger:in zu finden und leistet damit einen erheblichen Beitrag zu erfolgreichen Organtransplantationen. Eurotransplant erhöht die Wahrscheinlichkeit, ideale Matches zwischen Spender:in und Empfänger:in zu finden und leistet damit einen erheblichen Beitrag zu erfolgreichen Organtransplantationen. © Talaj – stock.adobe.com

Spenderorgane werden in Deutschland und sieben weiteren Ländern über die STIFTUNG EUROTRANSPLANT vermittelt. Die gemeinnützige Stiftung hat ihren Sitz im niederländischen Leiden. Der Medizinische Direktor Serge Vogelaar gibt einen Einblick in ihre Entstehungsgeschichte und Arbeitsweise.

Warum wurde Eurotransplant (ET) gegründet? Welche Länder gehören ET an? 

Professor Jon J. van Rood (1926–2017) vom Leiden University Medical Center in Leiden, Niederlande, hatte das HLA (Humanes Leukozyten- Antigen) entdeckt und konnte nachweisen, dass das HLA-System eine wichtige Rolle bei Abstoßungsreaktionen nach einer (Nieren-)Transplantation spielte. Die Übereinstimmung des HLA-Typs von Spender und Empfänger (das sogenannte Match) führte zu einem besseren Überleben von Transplantat und Empfänger. Allerdings zeigte die Typisierung der HLA-Antigene, dass es zwischen den Patienten große Unterschiede gab. Deshalb war die Wahrscheinlichkeit gering, einen Spender mit einem passenden Gewebetyp für einen bestimmten Patienten zu finden. Diese Wahrscheinlichkeit erhöht sich, wenn ein Spender einer zentralen Organisation angeboten wird, in der viele Patienten, die ein Nierentransplantat benötigen, gelistet sind. 

So steigt die Wahrscheinlichkeit, dass das ideale Match gefunden werden kann. Aus dieser Erkenntnis heraus gründete Professor Jon van Rood 1967 die Eurotransplant International Foundation, kurz: Eurotransplant. Heute besteht das Eurotransplant-Netzwerk aus Österreich, Belgien, Kroatien, Deutschland, Ungarn, Luxemburg, den Niederlanden und Slowenien und versorgt eine Gesamtbevölkerung von rund 137 Millionen Menschen. 

Was ist die zentrale Aufgabe von Eurotransplant? 

Als internationale Non-Profit-Organisation arbeitet Eurotransplant eng mit Spenderkrankenhäusern und Transplantationszentren im ET-Verbund zusammen und vermittelt Organe an Patientinnen und Patienten, die eine Organtransplantation benötigen. Seit mehr als 50 Jahren erleichtert Eurotransplant die Zuteilung und den grenzüberschreitenden Austausch von Organen verstorbener Spenderinnen und Spender – Nieren, Lebern, Bauchspeicheldrüsen, Därme, Herzen und Lungen. 

Zu den Partnern im Organaustauschprozess gehören Krankenhäuser, in denen Organspenden stattfinden, nationale Organbeschaffungsorganisationen, Transplantationszentren, Gewebetypisierungslabore und die zuständigen nationalen Behörden. Alle diese Beteiligten arbeiten mit demselben Ziel zusammen: sicherzustellen, dass einer wachsenden Zahl von Patientinnen und Patienten auf der Warteliste für ein Spenderorgan durch die Organspende die Aussicht auf ein Leben oder eine bessere Lebensqualität gegeben wird. 

Zur Person

Serge Vogelaar wurde an der Universität von Amsterdam zum Arzt ausgebildet und spezialisierte sich nach seinem Studium zum Arbeitsmediziner. Seit 2008 ist er bei Eurotransplant tätig, seit 2020 hat er die Position des Medizinischen Direktors inne.

Welche Vorteile hat ein internationales Netzwerk bei der Organverteilung? 

Die Transplantationszentren des Eurotransplant- Netzwerks lassen ihre Patientinnen und Patienten, die auf eine Organtransplantation warten, in der zentralen Datenbank von Eurotransplant mit allen passenden relevanten Merkmalen registrieren. Sobald eine Spenderin oder ein Spender zur Verfügung steht, werden auch ihre Merkmale in der gleichen Datenbank erfasst. Mithilfe eines ausgeklügelten Computerprogramms kann Eurotransplant für jedes verfügbare Organ sofort eine „Match-Liste“ erstellen. Diese Liste wird auf der Grundlage vordefinierter Zuweisungsregeln erstellt, die Faktoren wie die Blutgruppe, die Zeit auf der Warteliste und die relative Dringlichkeit berücksichtigen. 

Auch internationale Vereinbarungen über die gemeinsame Nutzung von Organen und nationale Vorschriften werden berücksichtigt. Dies ist das eigentliche Kerngeschäft von Eurotransplant: Das Unternehmen arbeitet rund um die Uhr, gleicht Organe ab, sobald sie verfügbar sind, und weist sie den Patientinnen und Patienten auf der Warteliste zu. 

Welchen Vorteil hat das Netzwerk von Eurotransplant für Patientinnen und Patienten? 

Eine der wichtigsten Voraussetzungen für eine Organtransplantation ist, dass Spender und Empfänger in Bezug auf bestimmte Merkmale wie ihre Blutgruppe und bei bestimmten Organen wie Nieren auch die Gewebearten zueinander passen sollten. Je besser die Übereinstimmung (das Match) ist, desto geringer ist das Risiko einer Abstoßung und des Verlusts eines Organs. Dies ist einer der Hauptgründe, warum die internationale Zusammenarbeit im Rahmen von Eurotransplant allen Patientinnen und Patienten in den Mitgliedsländern zugutekommt: Ein großer Pool von Spendern und Empfängern macht es einfacher, eine bessere Übereinstimmung zwischen den verfügbaren Spenderorganen und den Patientinnen und Patienten auf der Warteliste zu erzielen. Dadurch verbessern sich sowohl die kurzfristigen als auch die langfristigen Ergebnisse der Transplantation. Vor allem bestimmte Patientengruppen haben bessere Chancen, rechtzeitig ein geeignetes Spenderorgan zu erhalten. 

Weitere Informationen

Welche Gruppen sind das? Gibt es Patientinnen und Patienten, bei denen Eurotransplant vor besonderen Herausforderungen steht? 

Ja, dies sind drei Gruppen von Patienten: Zum einen die mit hoher Dringlichkeit. Die Patienten auf der Warteliste werden intensiv überwacht, da das Team der behandelnden Ärztinnen und Ärzte jede Veränderung der Situation genau verfolgt. Besteht die Gefahr, dass eine Patientin oder ein Patient innerhalb kürzester Zeit stirbt, wenn kein Organ gefunden wird, kann sie oder er – unter strengen Bedingungen – als „hoch dringlich“ („High Urgency“ – HU) und damit auf der Warteliste hoch eingestuft werden. Durch die internationale Zusammenarbeit im Rahmen von Eurotransplant erhalten diese Patientinnen und Patienten oft schnell das lebensrettende Organ. 

Dann gibt es eine weitere Gruppe von Patienten, die als „immunisiert“ eingestuft werden, das heißt, es besteht das Risiko, dass sie Antikörper haben, die auf Blut oder Gewebe einer anderen Person reagieren. Da dies mit einem ebenso hohen Risiko einer Organabstoßung gleichzusetzen ist, kommen immunisierte Nieren-Patienten für das AM-Programm („acceptable mismatch“, dt. akzeptable Abweichung) infrage. Bei diesem Programm werden diejenigen Gewebemerkmale ermittelt, die für sie akzeptabel wären. Wenn dann ein Organ mit diesen Merkmalen zur Verfügung steht, werden diese Patientinnen und Patienten auf der Matching- Liste vorrangig behandelt. 

Eine dritte Patientengruppe sind Kinder, die auf der Warteliste ebenfalls einen besonderen Rang einnehmen und somit eine bessere Chance haben, relativ schnell ein Organ zu erhalten. Der Grund dafür ist nicht nur, dass eine gute Organfunktion für Kinder im Wachstum lebenswichtig ist, sondern auch, dass Kinder per definitionem weniger Chancen haben, ein passendes Organ zu finden, da die Organe von Erwachsenen in der Regel zu groß für sie sind. Daher ist das Alter ein weiterer wichtiger Gesichtspunkt. 

Nach welchen Kriterien wird im konkreten Einzelfall entschieden, welches Organ an die jeweilige Empfängerin oder den jeweiligen Empfänger geht? 

Die Kriterien für die Auswahl eines Empfängers sind a) die Übereinstimmung der Merkmale des Spenders und des Patienten, die mithilfe eines komplexen Algorithmus ermittelt werden, b) die durch Expertinnen und Experten festgelegte Dringlichkeit, c) der erwartete Erfolg der Transplantation und d) die Wartezeit

Wie gewährleistet Eurotransplant, dass das Organ zeitnah der richtigen Empfängerin oder dem richtigen Empfänger transplantiert wird? 

Dies wird durch strenge Protokolle gewährleistet, die in Standardvorgehensweisen festgelegt sind. Sie regeln jeden Schritt bei der Zuteilung von Organen. Jeder Vorgang wird dokumentiert. Weitere Informationen über die von Eurotransplant verwendeten Zuteilungsmethoden finden Sie in unserem Handbuch

Quelle: BZgA