Krankenhausreform „Es gibt eine Insolvenzdynamik, wie wir sie noch nicht hatten“
Mit diversen gesetzlichen Änderungen strebt Bundesgesundheitsminister Prof. Dr. Karl Lauterbach die größte Krankenhausgesetzgebung der letzten 20 Jahre an. Ihm geht es dabei u.a. um eine Entökonomisierung, die Steigerung der Behandlungsqualität sowie die Entbürokratisierung des stationären Systems. In einem öffentlichen Transparenzverzeichnis sollen Informationen über Leistungsumfang der Kliniken, personelle Ausstattung und Ergebnisse aus etablierten Qualitätssicherungsverfahren veröffentlicht werden.
Liquiditätsspritze von 6 Mrd. Euro in Aussicht gestellt
Kaum jemand zweifelt daran, dass eine grundlegende Reform überfällig ist, denn viele Krankenhäuser hängen am finanziellen Tropf – kleine wie große. Rund 8,7 Milliarden Euro zeigte die Defizit-Uhr auf der DKG-Webseite Mitte Januar an. Mehr als eine halbe Million Euro an Minus kommen pro Stunde hinzu. Dem Minister ist das Problem bekannt. Diese Last sei kaum noch zu schultern, sagt er.
Der SPD-Politiker geht davon aus, dass mehr als 100 Krankenhäusern 2024 die Insolvenz droht, wenn die Krankenhausreform nicht zustande kommt. Deswegen wollte Prof. Lauterbach als erstes das Krankenhaustransparenzgesetz auf den Weg bringen. Doch die Länder haben es im Bundesrat blockiert, weil sie zu viele Eingriffe in die eigene Regelungskompetenz befürchten. Nun setzt der Bundesgesundheitsminister auf die Abstimmung am 2. Februar in der Länderkammer. Er zeigt sich zudem optimistisch, dass am 24. April das Krankenhausfinanzierungsgesetz im Kabinett beschlossen wird. Damit würden die Krankenhäuser bundesweit eine Liquiditätsspritze von 6 Mrd. Euro erhalten, wirbt der Minister für sein Vorhaben.
Die Gegenwehr allerdings ist deutlich, nicht nur seitens der Länder. Das zeigte sich auch bei einem Treffen mit Vertretern kommunaler Spitzenverbände sowie den Verwaltungsspitzen mehrerer Städte und Kommunen. Die Eingriffe seien riesig, kritisierte der Präsident des Städte- und Gemeindebundes Uwe Brandl.
So sind 65 medizinische Leistungsgruppen angedacht, unterlegt mit Mindestqualitätsanforderungen. Diese Leistungsgruppen sollen dann den einzelnen Klinikstandorten von den Planungsbehörden der Länder zugewiesen werden. Diese Behörden entscheiden auch, welche Standorte welche Leistungen unter diesen Voraussetzungen erbringen dürfen.
Eingeführt werden soll auch eine Vorhaltevergütung. „Mit der Vorhaltevergütung wird sichergestellt, dass Strukturen in Krankenhäusern nicht länger direkt abhängig von der Leistungserbringung geschaffen und erhalten werden können“, so das BMG.
Die Deutsche Krankenhausgesellschaft zeigt sich vom positiven Effekt der Pauschalen nicht überzeugt, denn dieses Geld komme weder schnell genug noch in ausreichendem Maße. DKG-Vorstandschef Dr. Gaß verweist auf eine „wirklich dramatische Lage in den Krankenhäusern“: „Wir haben eine klaffende Lücke zwischen den Kostensteigerungen und den Erlössteigerungen, die sich fortgesetzt hat bis zum Januar 2024, in dem wir uns jetzt aktuell befinden.“ Reserven seien aufgebraucht, Banken in Teilen nicht mehr bereit, Liquiditätskredite zu gewähren.
Laut Krankenhaus Rating Report wiesen 2020 54 % der Häuser Defizite aus, derzeit erwarten 78 % einen negativen Jahresabschluss.
„Diese Problemlage manifestiert sich mittlerweile in einer Insolvenzdynamik, wie wir sie in Deutschland bisher nicht hatten“, so Dr. Gaß. Die Folge sei, dass viele Kommunen Millionenbeträge aus ihren Haushalten an die kommunalen Krankenhäuser überweisen, um Insolvenzen zu vermeiden. „Und deswegen wahrscheinlich auch das Treffen, das Karl Lauterbach mit den kommunalen Spitzenverbänden hatte, die allerdings nicht seinen Positionen zugestimmt haben“, bemerkt der DKG-Vorstandsvorsitzende.
Gebraucht werden aus Sicht der Häuser auch Reformmaßnahmen, die zu einer Entlastung des Personals durch wirklichen Bürokratieabbau führen. Zudem sollen sie eine ambulante Versorgung am Krankenhaus in neuer Art und Weise ermöglichen und mehr Effizienz in die Versorgung bringen. Zuallererst aber fordert die DKG, unterstützt durch die Vertreter der Kommunen, kurzfristige Stabilisierungsmaßnahmen – auch weil 2024 Tarifsteigerungen deutlich zu Buche schlagen werden. Im Pflegebereich werden diese Steigerungen zwar über das Pflegebudget refinanziert, das gilt aber nicht für alle anderen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, erklärt Dr. Gaß. Er rechnet ab März mit zusätzlichen Kosten von durchschnittlich 10 %, wovon den Kliniken nur die Hälfte durch die Kassen refinanziert wird.
Die vom Minister angekündigten Gelder reichen nach Aussage von Dr. Gaß jedenfalls nicht, um die Liquiditätslücken zu schließen. Es handele sich auch nicht um zusätzliches Geld, sondern um Ansprüche, die die Kliniken gegenüber den Krankenkassen für bereits geleistete Pflegepersonalkosten längst haben; diese sollen nur etwas früher ausgezahlt werden.
Der DKG-Vorstand beschreibt es noch einfacher: „Das ist so, wie wenn man Ihnen schon heute im Januar Ihr Urlaubsgeld oder Ihr Weihnachtsgeld bezahlen und sagen würde: ,Jetzt geht es Ihnen das ganze Jahr besser.‘“ Nur 8 % der Krankenhäuser seien der Ansicht, dass sich durch die Hilfen ihre Insolvenzgefahr merklich reduzieren werde.
„Wir brauchen mehr Transparenz. Wir brauchen nicht nur die Beteiligung der Bundesländer, sondern auch die Beteiligung der Selbstverwaltung, um mehr Vertrauen in die Prozesse zu bringen“, sagt Dr. Gaß mit einem Seitenhieb auf die „Hinterzimmerpolitik“ des Ministers. Helfen könnte eine Auswertungsanalyse zu Gesetzesfolgen. Laut dem baden-württembergischen Gesundheitsminister Manne Lucha (Grüne) haben die Länder eine solche schon lange, aber bislang vergeblich vom BMG eingefordert.
Quelle: DKG-Pressekonferenz