Appell EU-Parlament soll Rahmenwerk für nationale Diabetespläne schaffen!
Die EU-Staaten sollen gemeinsam gegen Diabetes vorgehen, fordern verschiedene europäische Verbände und Organisationen.
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Früherkennung, gerechte Versorgung, Selbsthilfe stärken, Wissenschaft und Technik nutzen: Mit diesen vier Hauptforderungen sind die Organisationen des Europäischen Diabetes-Forums (EUDF) wie die International Diabetes Federation (IDF) und die European Association for the Study of Diabetes (EASD) an das Europäische Parlament herangetreten. Ihr Gemeinschaftsmanifest soll helfen, die Diabetesversorgung in Europa zu verbessern. Der Zeitpunkt ist günstig: Die Europawahlen stehen an, die Agenda der EU wird gerade neu erarbeitet.
DDG und DZD wenden sich an Europa-Abgeordneten Weber
„Bitte setzen Sie sich für 32 Millionen Menschen mit Diabetes in der EU ein!“ Mit diesen Worten haben sich die DDG und das Deutsche Zentrum für Diabetesforschung (DZD) – beide gehören dem Bündnis aus zahlreichen europäischen Mitgliedsorganisationen und Unterstützenden ebenfalls an – in einem offenen Brief an Manfred Weber gewandt, den Fraktionsvorsitzenden der Europäischen Volkspartei im Europäischen Parlament in Brüssel.
Bis 2030 soll die Zahl der Menschen mit Diabetes in der EU bei knapp 33 Millionen liegen. Damit würden jährlich weit mehr als 700.000 Menschen an Diabetes und seinen Folgekomplikationen in Europa sterben und die diabetesbedingten Kosten weiter in die Höhe klettern. 2021 beliefen sich diese bereits auf 104 Milliarden Euro. Deutschland liegt mit circa 39 Milliarden Euro auf dem vierten Platz der Länder mit den höchsten Gesundheitsausgaben für Diabetes.
Diabetes: Treiber für Herz-Kreislauf-Erkrankungen
Mit dem Manifest spricht sich das EUDF auch für einen umfassenden europäischen Gesundheitsplan für Herz-Kreislauf-Erkrankungen und Diabetes aus. „Wir Mitgliedsstaaten der EU brauchen dringend einen solchen Plan als Grundlage für nationale Diabetespläne“, fordern DDG und DZD in dem Brief an den Europa-Abgeordneten Weber. Diabetes gilt auch als ein Treiber für Herz-Kreislauf-Erkrankungen, die wiederum die häufigste Todesursache in Deutschland sind. Bis zu drei Viertel der Menschen mit Diabetes sterben an Myokardinfarkten und Schlaganfällen. Das Risiko von Menschen mit Typ-1- oder Typ-2-Diabetes für kardiovaskuläre Erkrankungen ist zwei- bis vierfach erhöht, bei Frauen sogar bis zu sechsfach.
Die hohe Sterblichkeit durch kardiovaskuläre Komplikationen von Menschen mit oder ohne Diabetes hat die deutsche Politik erkannt und im zurückliegenden Jahr eine Herz-Kreislauf-Strategie mit Fokus auf Prävention und Früherkennung vorgelegt (wir berichteten).
Die Nationale Herz-Kreislauf-Strategie des BMG
Die Strategie des Bundesgesundheitsministeriums will Früherkennung und Versorgung in Angriff nehmen. Vier Handlungsfelder stehen im Fokus:
- Verbesserung der Früherkennung bei Kindern und Jugendlichen
- Verbesserung der Früherkennung bei Erwachsenen
- Stärkung von Disease-Management-Programmen
- Reduzierung des Nikotinkonsums
Die Initiative fachlich begleiten soll das neue Bundesinstitut für Prävention und Aufklärung in der Medizin (BIPAM), das bis 2025 aufgebaut werden soll.
Es sei „höchste Zeit, die richtigen politischen Maßnahmen umzusetzen, um Vorbeugung, Früherkennung und Behandlung zu verbessern“, fordern die Organisationen des Gemeinschaftsmanifests. Bei der Früherkennung seien effektive Diabetes-Reihenuntersuchungsprogramme nötig. Dabei sollten auch mögliche Probleme eines ungleichen Zugangs zum Diagnosesystem in den jeweiligen Ländern angegangen und Risikogruppen und gefährdete Gruppen gezielt aufgeklärt werden, so die EUDF.
Eine gerechte hochwertige Versorgung in allen EU-Mitgliedstaaten will man durch einen gerechten und für alle erschwinglichen Zugang zu erforderlichen Medikamenten, medizinischen Bedarfsartikeln, Geräten und digitalen Technologien wie Blutzuckermessgeräten und Insulinpumpen erreichen. Hier sollen integrierte Versorgungspfade für Menschen mit Diabetes dafür sorgen, dass auf Basis ihrer individuellen Lebenssituation und der neuesten Leitlinien rechtzeitig Zugang zu den entsprechenden Behandlungsoptionen möglich ist.
Partizipative Entscheidungsfindung fördern
Auch das Schulungsangebot soll verbessert werden. Die Selbsthilfe wollen die beteiligten Organisationen stärken, indem sie die partizipative Entscheidungsfindung von Menschen mit Diabetes in der Kommunikation mit den Behandelnden unterstützen. „Menschen mit Diabetes gehören ins Zentrum aller sie betreffenden Forschungs-, Regulierungs-, Politik- und Evaluationsprozesse“, heißt es in dem Gemeinschaftsmanifest.
Um Wissenschaft und Technik besser zu nutzen, sollten die politischen Entscheidungsträger die Digitalisierung des Gesundheitssystems vorantreiben – vor allem im Interesse der Betroffenen. Konkret geht es um einen beschleunigten Zugang zur Medizintechnik, zu eigenständigen digitalen Lösungen (wie Apps und KI) sowie um digitale Dienstleistungen. Gestärkt werden müsse auch die Diabetesforschung über die EU-Forschungsprogramme, die mit ausreichenden Mitteln ausgestattet werden sollten, heißt es in dem Papier.
Europäisches Manifest und das Versprechen der Diabetes-Community
Das Diabetes-Gemeinschaftsmanifest wurde im Vorfeld der anstehenden Europawahlen, die vom 6. bis 9. Juni 2024 stattfinden, von einem breiten Bündnis aus Organisationen des Europäischen Diabetes-Forums (EUDF) erarbeitet. Das Manifest enthält 15 konkrete Politikempfehlungen an die Europäische Union und ihre Mitgliedstaaten, deren Umsetzung das Leben von Menschen mit Diabetes sowie von Risikogruppen verbessern soll. Mit Blick auf die nächste Legislaturperiode richtet sich der Appell an die politischen Entscheidungsträger. Sie sollen den Ernst der Lage beim Diabetes erkennen und auf allen Regierungsebenen – auf europäischer, nationaler oder regionaler Ebene – die geforderten Maßnahmen umsetzen. Unterstützend können Interessierte der Diabetes-Community auch ein Versprechen zur Europawahl abgeben („Diabetes Community Pledge“).
Diabetes Community Pledge auf eudf.org.
Besonders in den letzten Jahren hat die europäische Politik dem Diabetes mehr Aufmerksamkeit geschenkt. 2022 – 100 Jahre nach der Entdeckung des Insulins und 33 Jahre, nachdem die Erklärung von St. Vincent konkrete Ziele für die Diabetesprävention und -behandlung formulierte – hat das Europäische Parlament eine historische Resolution zur Diabetesprävention, zum Diabetesmanagement und zu einer verbesserten Diabetesbehandlung verabschiedet. In dieser Resolution ruft das EU-Parlament die 27 Mitgliedstaaten zur Erarbeitung nationaler Diabetes-Aktionspläne auf.
Die EU sollte diese Dynamik jetzt nutzen und ein unterstützendes Rahmenwerk für Europa entwerfen, auf dessen Basis jeder Staat seinen Diabetesplan entwickeln kann, so das Bündnis.
