Studienstandort Deutschland Forschende Hersteller fürchten zunehmend den Wettbewerbsdruck durch Asien und USA

Gesundheitspolitik Autor: Cornelia Kolbeck

Kritisch gesehen werden u.a. inkonsistente und überbürokratisierte Genehmigungsverfahren sowie eine aufwändige Vertragsgestaltung zwischen Kliniken bzw. Arztpraxen. Kritisch gesehen werden u.a. inkonsistente und überbürokratisierte Genehmigungsverfahren sowie eine aufwändige Vertragsgestaltung zwischen Kliniken bzw. Arztpraxen. © Gajus – stock.adobe.com

22 konkrete Maßnahmen zur Stärkung des Innovationsstandortes Deutschland schlägt der Verband der forschenden Pharmaunternehmen auf Grundlage einer Untersuchung vor. Und erklärt, wo die Probleme liegen.

Kein gutes Bild zur klinischen Forschung zeichnet die Studie „Pharma-Innovationsstandort Deutschland“. „Wenn jetzt nicht entschieden gehandelt wird, droht bis 2030 der Verlust des frühen Zugangs zu innovativen Therapieoptionen für bis zu 40 % der Patient:innen in Deutschland, die heute an klinischen Arzneimittelstudien teilnehmen“, mahnen die Autor:innen. 

Und man verlöre auch in anderer Hinsicht: Beteiligen sich Kliniken oder Praxen an Studien, sorge das auch für mehr Ärztinnen und Ärzte, die im neuesten medizinischen Stand zuhause sind und dann ab Tag 1 der Markteinführung wissen, wie man mit den neuen Medikamenten behandelt. Gerade bei komplizierten Therapien wie z.B. den CAR-T-Zell-Therapien sei das von enormem Wert für die Versorgung.

Der Verband der forschenden Pharma-Unternehmen (vfa) und die internationale Unternehmensberatung Kearney haben in der Studie die Lage der Unternehmen betrachtet. Beschrieben wurden „große Handicaps für klinische Studien und den Zugang zu Gesundheitsdaten“. 

Kritisch gesehen werden u.a. inkonsistente und überbürokratisierte Genehmigungsverfahren sowie eine aufwändige Vertragsgestaltung zwischen Kliniken bzw. Arztpraxen (Studienzentren) und den Pharmaunternehmen, welche Arzneimittelstudien durchführen möchten. Dies führe häufig zu einer überlangen Zeitspanne bis erste Studienteilnehmer:innen tatsächlich einbezogen werden könnten. 

Wie sehr Deutschland im Stu­dienwesen unter seinen Möglichkeiten bleibt, wird deutlich, wenn man die Studienaktivität und die Zahl der Studienteilnehmenden ins Verhältnis zur Einwohnerzahl stellt. In beiden Fällen landet Deutschland im Vergleich zu anderen Industrienationen weit hinten.

Zugang zu Versorgungsdaten ist eine der Grundforderungen

In der Studie werden in drei Handlungsfeldern 22 konkrete Maßnahmen zur Stärkung des Innovationsstandortes Deutschland aufgelistet. Dr. Matthias Meergans, Geschäftsführer Forschung & Entwicklung des vfa, bringt es auf den Punkt: „Die Stärkung des Innovationsstandorts kann gelingen, wenn Forschung wieder in konkurrenz­fähigem Tempo ablaufen kann, Unternehmen und Universitäten besseren Zugang zu pseudonymisierten medizinischen Versorgungsdaten erhalten und das Ökosystem für Translation von Grundlagenforschung in Behandlungsmöglichkeiten für Patienten gestärkt wird.“

Ähnlich kritisch werden auch die Rahmenbedingungen in der EU insgesamt gesehen. Die Politik verkenne die Lage – und zwar in Europa und in Deutschland gleichermaßen, mahnt vfa-Präsident Han Steutel: „Während die USA und China im internationalen Wettbewerb weiter auf die Pharmaindustrie als Schlüsselbranche der Zukunft setzen und sie entsprechend fördern, sehen wir uns hier mit immer absurderen Regulierungsideen konfrontiert.“ Bezug genommen wird auf die Erstattungsregeln für Arzneimittel in Deutschland, die sich seit letztem Jahr durch Regelungen im Arzneimittelmarktneurordnungsgesetz (AMNOG-Regeln) nicht nur verschlechtert, sondern sogar systemwidrig deformiert hätten.  „Und Europa legt auch noch die Axt an die Grundlagen unseres Geschäftsmodells, in dem es den Schutz des geistigen Eigentums für Medikamente per Unterlagenschutz verkürzen möchte“, so Steutel. Als Beispiel für den Negativtrend verweist er auf die Zahl klinischer Arzneimittelstudien. Der Anteil Europas an den weltweiten Aktivitäten sei rückläufig und innerhalb Europas rutsche Deutschland auf die hinteren Ränge.

„Mühlstein um den Hals der Branche“

Das zurzeit geplante EU-Pharma-Paket hätte aus Sicht des vfa den 20 Jahre alten Rechtsrahmen grundlegend ändern und zu einem Meilenstein werden können. Stattdessen, so Steutel, gebe es einen Mühlstein um den Hals der Branche. Er untermauert seine Forderungen mit Zahlen aus den USA. Nach diesen investierten forschende Arzneimittelunternehmen 2002 zwei Milliarden US-Dollar mehr in Forschung und Entwicklung als in Europa. Heute sind es 25 Milliarden US-Dollar mehr. „Wenn dieser Trend sich fortsetzt, ist Europa in Zukunft völlig abhängig von Arzneimitteln aus Asien und USA.“

Medical-Tribune-Bericht