Nicht anerkannte Behandlungsmethoden Hohe Anforderungen für die Kassenabrechnung

Gesundheitspolitik Autor: Michael Reischmann

Zu klären ist: War das ­Potenzial des Eingriffs 
den Fachkreisen bekannt? Zu klären ist: War das ­Potenzial des Eingriffs den Fachkreisen bekannt? © Gina Sanders – stock.adobe.com

Unter welchen Voraussetzungen ist eine innovative, noch nicht anerkannte Methode im Krankenhaus als erforderliche Behandlungsalternative zulasten der GKV abrechnungsfähig? Das Bundessozialgericht hat dazu Vorgaben gemacht.

Gesetzlich Krankenversicherte haben grundsätzlich nur Anspruch auf Leistungen, wenn diese dem allgemein anerkannten Stand der medizinischen Erkenntnisse entsprechen. Ausnahmsweise können im Krankenhaus jedoch innovative Methoden angewendet werden, die diesen Qualitätsmaßstab noch nicht einhalten – nämlich dann, wenn es um eine schwerwiegende und die Lebensqualität auf Dauer nachhaltig beeinträchtigende Erkrankung geht, für die keine andere Standardbehandlung verfügbar ist und die Leistung das Potenzial einer erforderlichen Behandlungsalternative hat. So ist es einem Urteil des Bundessozialgerichts (BSG) von 2021 zu entnehmen. 

Doch wie kann dieses Potenzial nachgewiesen werden? Dazu hat sich der 1. Senat nun präzisierend geäußert. Demnach sind mehrere Voraussetzungen zu erfüllen:

  • Nach dem Stand der wissenschaftlichen Erkenntnisse und nach dem Wirkprinzip darf nicht von einer Schädlichkeit oder Unwirksamkeit auszugehen sein.
  • Es muss die Aussicht bestehen, dass die innovative Behandlungsmethode im Vergleich zu Standardmethoden effektiver ist. 
  • Zudem muss die Aussicht bestehen, eine Evidenzlücke durch eine einzige Studie in einem begrenzten Zeitraum schließen zu können. 
  • Und eine Gesamtabwägung der potenziellen Vor- und Nachteile hat zugunsten der innovativen Methode auszufallen.

„Noch nicht allgemein anerkannte Behandlungsmethoden können im Krankenhaus auch dann zur Anwendung kommen, wenn der zur Methodenbewertung berufene Gemeinsame Bundesausschuss noch keine Entscheidung über das Potenzial einer innovativen Behandlungsmethode getroffen hat“, teilt das BSG mit. „In diesen Fällen obliegt die Entscheidung darüber, ob Potenzial gegeben ist, dem Krankenhaus und der jeweiligen Krankenkasse als Kostenträger.“ Diese Entscheidung sei gerichtlich umfassend überprüfbar. Dabei hätten die Gerichte ggf. Ermittlungen durchzuführen. 

Der BSG-Senat konnte aufgrund fehlender Feststellungen nicht abschließend entscheiden, ob die umstrittene innovative Methode zum Zeitpunkt der Behandlung ein derartiges Potenzial aufwies und ob alle anderen Voraussetzungen für einen Vergütungsanspruch vorlagen. Er hat den Rechtsstreit daher ans Landessozialgericht zurückverwiesen.

Krankenkasse lehnt Rechnung über 23.000 Euro ab

Der vom klagenden Krankenhaus behandelte Patient litt an einer COPD mit Lungenemphysem. Es bestanden nur wenige anerkannte Optionen, zu denen etwa eine Lungentransplantation oder eine chirurgische Entfernung des erkrankten Gewebes gehörten. 

Das Krankenhausteam behandelte den Patienten 2016 mit einer damals noch nicht allgemein anerkannten Methode: Es implantierte ihm endoskopisch Metallspiralen, sog. Coils, in die Lunge, um die überblähten Bereiche zu reduzieren. Die Krankenkasse weigerte sich deshalb, rund 23.000 Euro als Vergütung zu zahlen.

Das Sozialgericht gab der Klage statt, das LSG wies sie ab. Mit der Revision beim BSG machte das Krankenhaus geltend, das Potenzial der Methode sei den Fachkreisen schon 2016 bekannt gewesen. 

Quellen:
1. Urteil des Bundessozialgerichts vom 25. März 2021 Az.: B 1 KR 25/20 R
2. Urteil des Bundessozialgerichts vom 13. Dezember 2022, Az.: B 1 KR 33/21 R

Medical-Tribune-Bericht