Seltene Abrechnungsfälle Bloß kein Honorar verschenken

Abrechnung und ärztliche Vergütung , Kassenabrechnung Autor: Dr. Gerd W. Zimmermann

Im EBM laufen Sachkosten in der Regel über den Sprechstundenbedarf und können deshalb beim Ansatz einzelner GOP nicht gesondert berechnet werden. Im EBM laufen Sachkosten in der Regel über den Sprechstundenbedarf und können deshalb beim Ansatz einzelner GOP nicht gesondert berechnet werden. © ijeab – stock.adobe.com

Begleitung, Verweilen, Schulunfälle, autogenes Training. Es gibt die unterschiedlichsten Leistungen, die man in einer Hausarztpraxis erbringen und abrechnen kann – aber viel zu selten abrechnet. 

Es kommt nicht so oft vor, dass man bei einem Hausbesuch aus medizinischen Gründen beim Patienten verweilen muss, ohne ansonsten eine berechnungsfähige Leistung zu erbringen. Gleiches gilt für eine ggf. im Anschluss daran erforderliche Transportbegleitung ins Krankenhaus. Doch wenn es vorkommt, sollte man diese Leistungen nicht übersehen.Denn außerhalb der Sprechstunde, im Rahmen eines Hausbesuches oder im Notfalldienst, ist die Begleitung eines Patienten zur stationären Aufnahme schon mal erforderlich. Und je nach Dauer ist die Leistung sogar mehrfach berechnungsfähig. Das Verweilen dagegen ist eine Leis­tung, die, obwohl sie öfter erbracht wird, in der Regelversorgung von Hausärzten nicht berechnungsfähig ist: Was für Fachärzte möglich ist, geht bei der hausärztlichen Versorgung nur im organisierten Notfalldienst (ÄBD). Doch dann sollte man diese Leistung auf keinen Fall vergessen, um kein Honorar zu verschenken. 

Wichtig: Auch das Verweilen kann, je nach Zeitaufwand, mehrfach berechnet werden. Allerdings nur, wenn jeweils weitere 30 Minuten vollständig verweilt werden, und nur im Rahmen eines Hausbesuches, nicht (wie bei der GOÄ) auch bei Behandlungen in der Praxis. Die EBM-Nrn. 01416 und 01440 können aber nicht nebeneinander angesetzt werden – sie schließen sich gegenseitig beim gleichen Arzt-Patienten-Kontakt (APK) aus. 

Tabelle 1: Begleiten und Verweilen 

EBM

Legende

Punkte/Euro

Bemerkungen

01416

Begleitung eines Kranken durch den behandelnden Arzt beim Transport zur unmittelbar notwen

117

13,8

Von Hausärzten auch im Rahmen eines Hausbesuchs berechnungsfähig

01440

Verweilen außerhalb der Praxis ohne Erbringung weiterer berechnungsfähiger Gebührenordnungspositionen, wegen der Erkrankung erforderlich, je vollendete 30 Minuten

352

39,66

Von Hausärzten nur im organisierten Notfalldienst abrechenbar


Quelle: EBM

So können Schulunfälle in Rechnung gestellt werden

Ein Schüler stürzt auf dem Weg zur Schule mit dem Fahrrad und wird in die Praxis zur Behandlung gebracht. Wegen einer Risswunde am rechten Unterarm wird der Impfstatus geprüft und das Kind nach einer körperlichen Untersuchung und der Wundversorgung wegen starker Schmerzen im Knie und dort unklarer Bewegungseinschränkung an den D-Arzt überwiesen. Es wird ein BG-Schein im Praxisverwaltungssys­tem angelegt und der Unfallhergang mit dem Vordruck F 1050 (Ärztliche Unfallmeldung) aufgenommen.
Wichtig: In diesem Fall kann die Nr. 6 UV-GOÄ (Umfassende Untersuchung verbunden mit nach Umfang und Zeit besonderem differenzialdiagnostischen Aufwand und/oder Beteiligung mehrerer Organe, 17,11 Euro) bei Kindern bis zum 6. Geburtstag anstelle der Nr. 1 UV-GOÄ einmal im Behandlungsfall berechnet werden. Ausgenommen sind Verletzungen, bei denen durch bloße Inaugenscheinnahme das Ausmaß der Erkrankung beurteilt werden kann. Die UV-GOÄ Nr. 200 für den Verband darf nicht neben der Nr. 2003 abgerechnet werden (siehe Allgemeinen Bestimmungen zum Abschnitt C der UV-GOÄ). 

Als Sachkosten können niedergelassene Ärzte trotzdem 1,28 Euro berechnen. Das steht in der Spalte „Besondere Kosten“ der UV-GOÄ in Klammern mit einem Sternchen gekennzeichnet. Wird ein Patient zum D-Arzt geschickt, kann das Ausfüllen der Unfallmeldung nach Nr. 125 UV-GOÄ gesondert berechnet werden.

Tabelle 2: Schulunfälle

UV-GoÄ

Legende (Kurzform)

Euro

6

Umfassende Untersuchung verbunden mit nach Umfang und Zeit besonderem differenzialdiagnostischem Aufwand und/oder Beteiligung mehrerer Organe

17,11

Alternativ bei Kindern ab dem vollendeten 6. Lebensjahr:

1

Symptomzentrierte Untersuchung bei Unfallverletzungen

7,33

2003

Erstversorgung einer großen und/oder stark verunreinigten Wunde

10,59

145

Formlose Überweisung an den D-Arzt

4,12

Quelle: UV-GOÄ

Abrechnungsvoraussetzungen beim autogenen Training

Hausärzte dürfen Kurse in autogenem Training anbieten und abrechnen. Eine Genehmigung zur Ausführung und Abrechnung psychotherapeutischer Leistungen gemäß der Psychotherapie-Vereinbarung ist hier nicht erforderlich. Man muss allerdings über die Qualifikation zur Erbringung übender Verfahren gemäß § 5 Abs. 7 bzw. § 6 Abs. 6 oder § 7 Abs. 5 der Psychotherapie-Vereinbarungen verfügen.

Wichtig: Die Nrn. 35111 bis 35113 EBM fallen in den sog. K.O.-Katalog. Das bedeutet, man muss aus betriebswirtschaftlicher Sicht überdenken, ob eine dieser Leistungen bei der Abrechnung mehr Honorar einbringt als die ansonsten im Behandlungsfall abgerechneten EBM-Nrn. 03040 (Zusatzpauschale zur Versichertenpauschale), 03220 (Chronikerpauschale I), 03221 (Chronikerpauschale II), 03060 (Zuschlag zur EBM-Nr. 03040 bei Vorhalten einer NäPa), 03061 (Zuschlag zur GOP 03060).

Die Nrn. 35111 bis 35113 EBM sind nicht in derselben Sitzung nebeneinander abrechenbar und beispielsweise auch nicht neben den Nrn. 35100 und 35110.

In der GOÄ gibt es zwei Abrechnungspositionen für diese Leistungen, nämlich die Nrn. 846 und 847. Dabei kennt die GOÄ keine Genehmigungspflicht. Der Arzt muss aber trotzdem die fachlichen und technischen Voraussetzungen erfüllen, ist hier aber an kein Genehmigungsverfahren gebunden. Die GOÄ-Nr. 1 (Beratung) ist neben den Nrn. 846 und 847 abrechenbar, nicht aber die GOÄ-Nr. 3, da diese Leistung nur neben einer Untersuchung nach den Nummern 5, 6, 7, 8, 800 oder 801 GOÄ berechnungsfähig ist. Ein Ausschluss besteht in derselben Sitzung zur GOÄ-Nr. 725.

Tabelle 3: Autogenes Training

EBM

Legende

Punkte/Euro

Bemerkungen

35111

Übende Interventionen (autogenes Training, Relaxationsbehandlung nach Jacobson) als Einzelbehandlung

335

37,74

  • Übende und verbale Interventionen

  • Einführung des Patienten in das Verfahren

  • Standardisierte Dokumentation

  • Dauer mind. 25 Minuten

  • Einzelbehandlung

35112

Übende Interventionen (autogenes Training, Relaxationsbehandlung nach Jacobson) als Gruppenbehandlung bei Erwachsenen, je Teilnehmer

90

10,14

  • Dauer mind. 50 Minuten

  • Gruppenbehandlung bei Erwachsenen

  • 2 bis 10 Teilnehmer

35113

Übende Interventionen (autogenes Training, Relaxationsbehandlung nach Jacobson) als Gruppenbehandlung bei Kindern und ­Jugendlichen, je Teilnehmer

128

14,42

  • Dauer mind. 30 Minuten

  • Gruppenbehandlung bei Kindern und ­Jugendlichen

  • 2 bis 10 Teilnehmer

GOÄ

Leistung

Euro 2,3-fach

 

846

Übende Verfahren (z.B. autogenes Training) in Einzelbehandlung, Dauer mind. 20 Minuten

20,10

 

847

Übende Verfahren (z. B. autogenes Training) in Gruppenbehandlung mit höchstens 12 Teilnehmern, Dauer mind. 20 Minuten je Teilnehmer

6,02

 

Sachkosten in der GOÄ zusätzlich berechnen

Im EBM laufen Sachkosten in der Regel über den Sprechstundenbedarf und können deshalb beim Ansatz einzelner GOP nicht gesondert berechnet werden. Anders sieht es in der GOÄ aus. Im § 10 GOÄ (Ersatz von Auslagen) ist geregelt:  Neben den für die einzelnen ärztlichen Leistungen vorgesehenen Gebühren können als Auslagen die Kosten für diejenigen Arzneimittel, Verbandmittel und sonstigen Materialien, die der Patient zur weiteren Verwendung behält oder die mit einer einmaligen Anwendung verbraucht sind, berechnet werden. Von dieser Regelung ausgenommen sind Kleinmaterialien wie Zellstoff, Mulltupfer, Schnellverbandmaterial, Verbandspray, Gewebeklebstoff auf Histoacrylbasis, Mullkompressen, Holzspatel, Holzstäbchen, Wattestäbchen, Gummifingerlinge, Reagenzien und Narkosemittel zur Oberflächenanästhesie, Desinfektions- und Reinigungsmittel, Augen-, Ohren-, Nasentropfen, Puder, Salben und geringwertige Arzneimittel zur sofortigen Anwendung sowie für folgende Einmalartikel: Einmalspritzen, -kanülen, -handschuhe, -harnblasenkatheter, -skalpelle, -proktoskope, -darmrohre, -spekula. Die Aufzählung der Materialien, die nicht berechnet werden können, ist abschließend – alle Materialien, die nicht aufgelistet wurden, können gesondert in Rechnung gestellt werden.

Wichtig: Eine Rechnungsstellung würde sich etwa bei folgendem Fallbeispiel ergeben: Ein Fahrradfahrer ist gestürzt und hat sich eine Platzwunde am rechten Unterschenkel zugezogen. Die Wunde wird gesäubert. Das hierzu verwendete Desinfektionsmittel ist nicht berechnungsfähig. Anschließend wird die Wunde genäht. Hier kann das Nahtmaterial in Rechnung gestellt werden. Dann erhält der Patient einen Verband mit einer sterilen Kompresse und einer Mullbinde. Dafür können keine Sachkosten berechnet werden. Nach zwölf Tagen werden die Fäden mithilfe einer Einmalpinzette und einer Einmalschere entfernt, dann ein Pflaster auf die verheilte Wunde geklebt. Die Sachkostenberechnung von Einmalpinzette und Einmalschere ist möglich, das Pflaster kann nicht berechnet werden.

Auf der Rechnung müssen die Materialien einzeln mit ihren tatsächlichen Kosten aufgeführt werden. Wird im Einzelfall eine Summe von 25,56 Euro überschritten, muss ein Beleg beigefügt werden. Im Fallbeispiel könnte die Rechnungsstellung so aussehen: Nahtmaterial 5,05 Euro, Einmalpinzette 0,17 Euro, Einmalschere 2,70 Euro. 

Alternativ besteht die Möglichkeit, die Pauschalen unter „Besondere Kosten“ in der UV-GOÄ zu verwenden. Die privaten Kos­tenträger erkennen diese Pauschalen meist an. Sie sind auch durchaus angemessen und werden „automatisch“ in regelmäßigen Abständen angepasst.

Schul- und Sportatteste korrekt in Rechnung stellen

Häufige Fälle in der Praxis sind etwa: „Ich brauche für mein Kind eine Krankheitsbescheinigung für die Schule“ oder: „Das Fitnessstudio möchte eine Gesundheitsbescheinigung haben“. Klar ist, dass das Ausstellen solcher Bescheinigungen durch die Praxen keine Gratisleistung ist. Eine Gratisabgabe wäre sogar ein Verstoß gegen das Werbeverbot in der ärztlichen Berufsordnung. Solche Atteste können aber auch genauso wenig wie vom Patienten gewünschte private Bescheinigungen zulasten der GKV abgerechnet werden. Lediglich die Bescheinigungen, die auf vereinbarten Vordrucken erfolgen wie eine Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung oder eine Bescheinigung zur Erlangung von Krankengeld sind mit der Versichertenpauschale abgegolten. Alle anderen „Wunsch-Bescheinigungen“ werden nach GOÄ abgerechnet: Es handelt sich um Individuelle Gesundheitsleistungen (IGeL). 

Wichtig: Da das Ausstellen oder Ausfüllen solcher Bescheinigungen mit Aufwand und Zeit verbunden ist, sollte ein Mehraufwand auch angemessen zur Abrechnung kommen. Um einerseits die Menge an Wechselgeld zu minimieren, die man in diesem Zusammenhang in der Praxis bereithalten müsste bzw. andererseits den individuellen Aufwand besser abbilden zu können, der bei der Erstellung einer solchen Bescheinigung entsteht, kann auch die zulässige Breite des Multiplikators eingesetzt werden. 

Tabelle 4: Schul- und Sportatteste

GOÄ

Legende

Euro

Faktor

70

Bescheinigung/kurzes Zeugnis über (…)

5,36

5,00

10,00

2,30

2,15

4,19

UV-GOÄ

Legende

Euro

 

143

Bescheinigung über den Nachweis der ­Sportunfähigkeit, analog Nr. 143

3,23

 

Ab einer Steigerung von 3,5 muss zwar eine Begründung angegeben werden, das kann z.B. aber schon mit dem Hinweis „Ausführliche Bescheinigung“ geschehen. 

Tabelle 5: Beispiele für Begründungstexte

Bescheinigungsart

Begründungstext

Kurze Bescheinigung

Hiermit wird ärztlich bescheinigt, dass unser Patient ……., geb. am ……., aufgrund einer ­Erkrankung nicht am Schulsportunterricht am ……. teilnehmen kann.

Kurzes Zeugnis

Hiermit wird ärztlich attestiert und bestätigt, dass unser Patient ……., geb. am ……., bei den morgigen Bundesjugendspielen aktiv teilnehmen kann. Aus ärztlicher Sicht bestehen keinerlei Einwände für die Teilnahme, da der Patient nach Erkrankung wieder vollständig genesen und körperlich fit ist.

Ausführliche Bescheinigung

Unser Patient ………….. leidet an einer ……….. Er kann sich deshalb nach medizinischer ­Einschätzung nicht weiter in einem Fitnessstudio sportlich betätigen.

Einen Sonderfall stellen Bescheinigungen dar, die erforderlich werden, weil ein Schüler nach einem Schul- oder Wegeunfall nicht am Unterricht teilnehmen kann. Grundsätzlich benötigt er zwar keine ärztliche Bescheinigung darüber, dass er aufgrund seiner Verletzung am Unterricht oder an bestimmten schulischen Veranstaltungen nicht teilnehmen kann. Die Meldung an die Schule erfolgt durch den Erziehungsberechtigten bzw. bei volljährigen Schülern durch den Schüler selbst. 

Fordert die Schule jedoch ausnahmsweise ausdrücklich eine ärztliche Bescheinigung nach einem Schul- oder Wegeunfall an (z.B. wegen Nichtteilnahme an einer Prüfung), kann diese entsprechend einer AU-Bescheinigung nach Nr. 143 UV-GOÄ der zuständigen Unfallkasse in Rechnung gestellt werden. Falls der Kostenträger nicht eindeutig identifiziert werden kann, reicht es, die Rechnung z.B. an irgendeine BG zu schicken, da die wiederum verpflichtet ist, den korrekten Adressaten herauszufinden und die Rechnung weiterzuleiten. 

Medical-Tribune-Bericht