Gewerbsmäßige Sterbehilfe: Wem droht tatsächlich Strafe?

Gesundheitspolitik Autor: Cornelia Kolbeck

Die Regierung will gegen „die gewerbsmäßige Förderung der Selbsttötung als abstrakt das Leben gefährdende Handlung“ vorgehen. Doch der Gesetzentwurf ist unter Experten umstritten.

Für die gewerbsmäßige Suizidvermittlung sieht die Regierung per Änderung des § 217 Strafgesetzbuch eine Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder eine Geldstrafe vor. Gleichzeitig soll sichergestellt werden, dass Angehörige oder andere dem Suizidwilligen nahestehende Personen sich nicht strafbar machen, wenn sie nur Teilnehmer an der Tat sind und selbst nicht gewerbsmäßig handeln.


In einer Anhörung vor dem Rechtsausschuss des Bundestages äußerten sich die Experten und Verbändevertreter sowohl zustimmend als auch ablehnend zum Vorgehen gegen die gewerbsmäßige Suizidvermittlung.

„Gewerbsmäßig“ – kein passender Terminus?

Professor D. Kyrill-Alexander Schwarz von der Universität Würzburg befürchtet, dass das Gesetz „nicht angewendet werden kann“, da es die beschriebene gewerbsmäßige Sterbehilfe hierzulande nicht gibt. Er schlug vor, die Formulierung „gewerbsmäßig“ durch „gewohnheitsmäßig und eigennützig“ zu ersetzen. Damit könne eine Strafbarkeitslücke geschlossen werden, wenn das pekuniäre Interesse nicht im Vordergrund stehe, gleichwohl aber Beitragszahlungen an die Sterbehilfeorganisation erfolgten. Ärzte und Pflegekräfte nicht explizit erwähnt

Eugen Brysch, Vorstand der Patientenschutzorganisation „Deutsche Hospiz Stiftung“, sprach von einer „gewissen Unklarheit und Lückenhaftigkeit der Neuregelung“, z.B. bei den „anderen nahestehenden Personen“. Im Gesetzentwurf in der Fassung vom 18. Juli sei die Regierung noch darauf eingegangen, wer unter diesen Personenkreis fallen solle, u.a. Ärzte oder Pflegekräfte. Nachdem dies in der Öffentlichkeit für Verwirrung und Empörung, gesorgt habe, sei in der aktuellen Entwurfsbegründung davon keine Rede mehr.


Der Arzt Dr. Rainer Freynhage vom Benedictus-Krankenhaus Tutzing verwies auf eine Umfrage, nach der 35 % der befragten 483 Klinik- oder Hausärzte eine Regelung befürworten würden, die es ihnen ermögliche, Patienten mit schwerer, unheilbarer Krankheit beim Suizid zu unterstützen.


Der Gesetzentwurf stelle sicher, dass Ärzte als Angehörige oder „eheähnliche“ Lebenspartner, die sich aus altruistischen Motiven zur Suizidbeihilfe entscheiden wollen, straffrei blieben, so der Palliativmediziner. Der richtige Weg sei aber, todkranken Menschen ein Sterben in Würde zu ermöglichen. Daher müssten die allgemeine und spezialisierte Palliativversorgung sowie die Schmerztherapie ausgebaut werden.

Suizid ist straffrei, warum nicht auch die Beihilfe?

Die Suizidprävention zu verstärken und das Palliativangebot zu verbessern, fordert auch Dr. Marlies Hübner, Juristin der Bundesärztekammer. Aus ihrer Sicht ist jede Form der organisierten Sterbehilfe unter Strafe zu stellen.


„Wenn der Suizid nicht strafbar ist, darf auch die Beihilfe nicht strafbar sein“, stellte Professor Dr. Henning Rosenau, Strafrechtler der Universität Augsburg, fest. Professor Dr. Rosemarie Will von der Patientenrechtsorganisation Humanistische Union sprach sich ebenfalls gegen die Bestrafung der gewerbsmäßigen Förderung der Selbsttötung aus. Die gesellschaftspolitische Zielsetzung sei „verfehlt“, verfassungswidrig und auch nach Europarecht nicht geboten. Zudem sei die Stellung des Arztes beim assistierten Suizid vom Gesetzgeber nicht geklärt worden.