Appell an Lauterbach „GOÄ-Reform muss jetzt umgesetzt werden“

Gesundheitspolitik Autor: Michael Reischmann

„Gebührenordnung ­eines freien Berufes versus Kassenleistungskatalog.“ „Gebührenordnung ­eines freien Berufes versus Kassenleistungskatalog.“ © MQ-Illustrations – stock.adobe.com

Nach Ostern könnte der Entwurf der neuen GOÄ – konzertiert und unterschriftsreif – dem Bundesgesundheitsministerium vorliegen. Und beim Deutschen Ärztetag Ende Mai will BÄK-Präsident Dr. Reinhardt den Minister direkt da­rauf ansprechen – in Erwartung einer positiven Antwort.

Ja, die Hängepartie mit der GOÄ-Reform zieht sich schon seit Jahren. Und auch im Koalitionsvertrag der Ampel wird sie nicht erwähnt. Bundesgesundheitsminister Prof. Dr. Karl Lauterbach (SPD) windet sich bei dem Thema und verweist auf andere Prioritäten. Doch dass die GOÄ-Reform auch in dieser Legislaturperiode nicht durchgesetzt wird, kann sich Dr. Dirk Heinrich, Vorstandsvorsitzender des Spitzenverbandes Fachärzte (SpiFa), nicht vorstellen. Wenn selbst der PKV-Verband und die Beihilfe, also die Kostenträger, die neu definierte und kalkulierte Gebührenordnung gutheißen, gebe es keinen Grund mehr – außer einem ideologischen – , die überfällige Modernisierung politisch zu bremsen. „Ansonsten sägt man an diesem freien Beruf.“

Beim Fachärztetag des SpiFa verbreitete Bundesärztekammerpräsident Dr. Klaus Reinhardt die Zuversicht, dass nun die letzten Klärungen mit dem PKV-Verband erfolgen. Alle Leistungen der neuen GOÄ seien inzwischen konsentiert, es gehe nur noch um „Restdifferenzen“ bei der Bepreisung. Nach Ostern könnte dann das abgestimmte Werk beim BMG ­eingereicht werden. Die Reform ist mit einer Rechtsverordnung des Ministeriums mit Zustimmung des Bundesrates zu realisieren.

Um den politischen Druck zu erhöhen, soll nicht nur beim 126. Deutschen Ärztetag in Bremen (24. bis 27. Mai) die GOÄ-Reform in Anwesenheit des Bundesgesundheitsministers wieder aufgerufen und adressiert werden, auch die Abgeordneten im Gesundheitsausschuss des Bundestages werden angeschrieben, so Dr. Reinhardt. Von dort erwartet man sich Unterstützung für den Freien Beruf des Arztes.

Diese signalisierte bereits Ausschussmitglied Prof. Dr. Armin Grau, MdB von Bündnis 90/Die Grünen und ehemaliger Ärztlicher Direktor des Klinikums Ludwigshafen. Die jetzige GOÄ trage der Entwicklung nicht mehr Rechnung. Es gelte auch Qualitätsstandards wie im EBM aufzunehmen, die interdisziplinäre Zusammenarbeit zu fördern und die sprechende Medizin zu stärken. Die Häufigkeit von Arzt-Kontakten zu definieren, diene dem Patientenschutz.

Patientenschutz? Dr. Michael Klinger, stellvertretender Vorsitzender des Verbandes der Privat­ärztlichen Verrechnungsstellen (PVS), widerspricht dem Verdacht, die Ärzteschaft würde die Steigerungsfaktoren der GOÄ ausnutzen. Das soll ein Transparenzbericht beweisen, an dem PVS-Verband und SpiFa arbeiten. 14 Mio. Datensätze der Verrechnungsstellen werden dafür ausgewertet. Auch die Mahnquoten, so Dr. Klinger, zeigten, dass die Patienten nicht überfordert werden.

Die neue GOÄ kommt allerdings ohne diese Steigerungsfaktoren aus. Stattdessen gibt es Zuschläge, z.B. für Erschwernisse. Analogbewertungen sind nur für nagelneue Leistungen vorgesehen, die noch nicht in der reformierten Gebührenordnung berücksichtigt sind. Diese sollen dann aber im Turnus von einer Kommission für die GOÄ adaptiert werden.

Ärzte werden viele neue Ziffern zu lernen haben

Die neue GOÄ sei betriebswirtschaftlich kalkuliert, betont Dr. Klinger. Das mache sie transparent und nachvollziehbar, ergänzt Dr. Reinhardt. Wird die neue GOÄ Realität, komme auf die Ärzte die Aufgabe zu, viele neue Ziffern zu lernen, so Dr. Klinger, denn das Gebührenwerk wird umfangreicher sein als derzeit und eine andere Systematik haben.

Der Hinweis von Prof. Grau, dass es eigentlich wenig effizient erscheint, mit zwei Gebührenordnungen zu arbeiten, konterte SpiFa-Chef Dr. Heinrich mit der Klarstellung, dass die GOÄ die unverzichtbare und legitime Gebührenordnung eines freien Berufes sei, während der EBM einen „Rabatt“-Leistungskatalog der gesetzlichen Krankenversicherung darstelle.

Doch auch mit der neuen GOÄ wird kein Preissprung verbunden sein, der die Inflation der letzten Jahrzehnte ausgleicht. Weiterhin ist von einem „Korridor“ von bis zu ca. 6,5 % die Rede.

Und was passiert, wenn nichts passiert? Der BÄK-Präsident kann sich auch vorstellen, notfalls dem BMG sogar einen nicht konsentierten Reformentwurf vorzulegen. Vage skizzierte er, welchen öffent­lichen Druck die Ärzteschaft aufbauen könnte – sofern sie denn „Kampagnenbereitschaft“ zeigt, z.B. bei einer „fantasievollen“ Anwendung der freien Honorarvereinbarung.

Die Dres. der SpiFa-Runde gaben sich allerdings optimistisch, dass es mit der GOÄ-Reform in dieser Legislaturperiode noch klappt. Dr. Heinrich: „Jetzt muss es umgesetzt werden!“

Kongressbericht: SpiFa-Fachärztetag 2022