Abtreibungsdebatte Hass und Hetze wird Grenzen gesetzt

Gesundheitspolitik Autor: Cornelia Kolbeck

Unterstützer Kristina Hänels vor der Verhandlung in Weinheim. Unterstützer Kristina Hänels vor der Verhandlung in Weinheim. © Jochen Schlabing

Abtreibungsgegner Klaus Günter Annen hat vor Gericht erneute eine Niederlage erlitten. Der Betreiber der Webseite babycaust.de attackiert seit langem Ärzte, die Schwangerschaftsabbrüche durchführen bzw. im Internet zum Thema aufklären. Die Allgemeinmedizinerin Kristina Hänel wehrt sich gegen diese Beleidigung und Volksverhetzung. Zuletzt trat sie in einem Strafverfahren gegen Annen erfolgreich als Zeugin auf.

Die Gießener Hausärztin Kristina Hänel bietet in ihrer Praxis auch Schwangerschaftsabbrüche an. Dafür wird sie seit jeher von Abtreibungsgegnern massiv und ehrverletzend beschimpft. Sie kämpft energisch gegen die Angriffe. 

Am 15. Februar war Hänel als Zeugin ins Amtsgericht Weinheim geladen. Auslöser war eine Strafanzeige, die das Institut für Weltanschauungsrecht (ifw) gegen Klaus Günter Annen, Betreiber der Webseite babycaust.de und wohnhaft im nordbadischen Weinheim, einge­reicht hatte. Die Anzeige gegen Annen lautete auf Verdacht der Beleidigung nach § 185 StGB, weil er Hänel als Auftrags- und Massenmörderin bezeichnet hatte. Angezeigt wurde er zudem wegen des Verdachts der Volksverhetzung in Form des Verharmlosens in Tateinheit mit Beleidigung, weil er die medizinische Tätigkeit Hänels (und weltweit vorgenommene Abtreibungen) mit dem nationalsozialistischen Völkermord gleichsetzte. Von ehrverletzenden und volksverhetzenden Aussagen ist in der Strafanzeige die Rede. Laut Urteil muss Annen nun wegen Beleidigung 1.200 Euro an Hänel zahlen. 

Urteil ist ein wichtiger Schritt für die Berufsgruppe

„Ich begrüße es, dass der Rechtsstaat einem Menschen, der Hass und Hetze gegen uns Ärztinnen und Ärzte verbreitet, Grenzen setzt“, kommentierte Hänel gegenüber Medical Tribune den Richterspruch zufrieden. Das Gericht habe bei einer Abwägung des Rechts auf Meinungsfreiheit und der Persönlichkeitsrechte den Tatbestand der Beleidigung als gegeben angesehen. „Da Herr Annen zahlreiche Ärztinnen und Ärzte, die Schwangerschaftsabbrüche durchführen, seit Jahrzehnten verfolgt, ist dieses Urteil ein wichtiger Schritt für unsere Berufsgruppe“, so Hänel.

Die Hausärztin hatte Annen bereits wegen ehrverletzender Äußerungen auf Unterlassung verklagt (Az.: 324 O 290/19). Das Landgericht Hamburg urteilte daraufhin 2020, dass die von ihr durchgeführten Schwangerschaftsabbrüche nicht mit dem Holocaust gleichgesetzt werden dürfen und Hänel nicht u.a. mit dem NS-Begriff „entartet“ bezeichnet werden darf. Annen musste 6.000 Euro Entschädigung an die Medizinerin zahlen und ihm wurde auferlegt, entsprechende Äußerungen zu unterlassen. 

Nach dem Hamburger Urteil untersuchte der Essener Rechtsanwalt ­Christian ­Roßmüller im Auftrag des ifw Annens Webseiten nach verfolgbaren Äußerungen. Er wurde fündig und das ifw stellte 2020 Strafantrag. „Der Beanzeigte verfährt nach dem immer gleichen Muster persönlicher Herabsetzung“, wurde vorgebracht. Er behandle die Thematik des Schwangerschaftsabbruchs nicht lediglich abstrakt als ethische Diskussion, sondern rücke immer wieder Kristina Hänel „in den Mittelpunkt seiner herabsetzenden Angriffe“. 

Teilweise werde dem ehrverletzenden Angriff ein sogenanntes Schockbild beigefügt, etwa die Abbildung eines abgetriebenen Fötus in einer Petrischale. 

Per Unterschrift hatten über 100 Personen und Organisationen die Strafanzeige gegen den Webseitenbetreiber unterstützt. Vor der Verhandlung hatten zudem in einer Demonstration Unterstützer ihre Solidarität mit Hänel erklärt.

Medical-Tribune-Bericht