Keine Opferentschädigung nach sexuellem Übergriff
So hat das Landessozialgericht Niedersachsen-Bremen entschieden.
Bei einer orthopädischen Untersuchung kam die Patientin der Aufforderung des Arztes nach, sich entkleidet auf den Bauch zu legen, damit dieser mit dem Ultraschallgerät die Rückseite des Beines untersuchen konnte.
Im Zuge dessen drang der Arzt mit dem Gerät bis in den Genitalbereich vor und rieb mit diesem dort mehrfach hin und her, während er die Patientin aufforderte, die Gesäßmuskulatur anzuspannen.
Arzt zahlte Schmerzensgeld
Die Patientin dachte sich, so die Urteilsbegründung, der Arzt "wisse schon was er tue" und duldete die Untersuchung. Vor dem Landessozialgericht trug sie vor, erst anschließend Zweifel bekommen und "in einer Art Schockstarre" verharrt zu haben. Dann brach sie die Untersuchung ab und verließ die Praxis.
Die Staatsanwaltschaft stellte das Ermittlungsverfahren ein, nachdem der Arzt im Rahmen eines zivilgerichtlichen Vergleichs Schmerzensgeld gezahlt und die Patientin erklärt hatte, an einer weiteren strafrechtlichen Verfolgung kein Interesse mehr zu haben.
Gericht: kein tätlicher Angriff im Sinne des Gesetzes
Erst bei einer psychotherapeutischen Behandlung wurde Jahre später diagnostiziert, dass die Patientin aufgrund dieses Vorfalls an einer posttraumatischen Belastungs- und rezidivierenden depressiven Störung leide. Sie klagte gegen das Land Niedersachsen auf Beschädigtenversorgung nach dem Opferentschädigungsgesetz und bekam in der ersten Instanz Recht.
Das Landessozialgericht entschied jedoch, dass kein tätlicher Angriff durch den Arzt im Sinne des § 1 Opferentschädigungsgesetz vorlag. Ein ärztlicher Eingriff könne zwar grundsätzlich Ansprüche nach Opferentschädigungsgesetz begründen, allerdings sei dabei ein Eingriff in die körperliche Integrität, der bei der Patientin nicht vorlag, notwendig.
Anders als bei sexuellen Übergriffen gegen Kinder reiche bei Erwachsenen die durch Täuschung oder Vertrauensmissbrauch erschlichene Duldung in das Geschehen nicht aus.
Einen physischen Gewaltmoment sah das Landessozialgericht auch nicht in der geschilderten Schockstarre, denn letztlich konnte die Patientin die Praxis jederzeit verlassen.
Revision wurde nicht zugelassen, der Beschluss des Landessozialgerichts ist rechtskräftig.