Sexualisierte Gewalt Rote Linie bei anzüglichem Spruch

Gesundheitspolitik Autor: Angela Monecke

In Westfalen-Lippe hilft die neue Ombudsstelle nun Personen weiter, die ärztliche Grenzverletzungen erleben mussten. In Westfalen-Lippe hilft die neue Ombudsstelle nun Personen weiter, die ärztliche Grenzverletzungen erleben mussten. © motortion – stock.adobe.com

Personen, die Grenzverletzungen in Kliniken und Praxen erleiden, können sich seit Oktober telefonisch an die „Ombudsstelle für Fälle von sexualisierter Gewalt im Rahmen der ärztlichen Tätigkeit“ der Ärztekammer Westfalen-Lippe wenden. In der Regel rufen Frauen an.

Das Spektrum an sexualisierter Gewalt ist weit. Es beginnt beim anzüglichen Spruch, setzt sich mit heimlichen Fotos, die von einer Person gemacht werden und/oder unerwünschten Berührungen fort und reicht über die sexuelle Nötigung bis zur Vergewaltigung. Solchen Missbrauchsfällen geht die neue Ombudsstelle der Ärztekammer Westfalen-Lippe nun gezielt nach. Die Rechtsabteilung der Kammer rechnet mit knapp 30 Fällen von sexualisierter Gewalt pro Jahr. Bei dieser Zahl orientiert man sich in Westfalen-Lippe an der Ärztekammer Hessen, wo es eine solche Stelle bereits gibt, ebenso wie in Rheinland-Pfalz.

Die neue Ombudsstelle in Münster ist als niedrigschwelliges Angebot konzipiert. Betroffene können sich telefonisch dort melden und werden von drei unabhängigen Ombudsfrauen, die für diese Tätigkeit qualifiziert sind und der ärztlichen Schweigepflicht unterliegen, vertraulich beraten und informiert. Auf Wunsch kann das Gespräch anonym bleiben.

Bislang rufen ausnahmslos weibliche Betroffene an

„Es sind ausschließlich Frauen, die sich bisher an uns wenden und die von sexualisierten Übergriffen durch Männer berichten“, sagt Dr. Sybille Elies-Kramme, Leiterin der Bezirksstelle Bielefeld der Ärztekammer Westfalen-Lippe. Die drei Fachärztinnen für Psychiatrie und Psychotherapie, die diese anspruchsvolle Beratungsaufgabe ehrenamtlich mit einer geringen Aufwandsentschädigung übernommen haben, wollen anonym bleiben.

Ausgerüstet mit Laptop und Smartphone sind sie 24 Stunden über eine kostenlose öffentliche Telefonnummer für betroffene Patientinnen und Patienten erreichbar (ggf. über eine Mailbox), aber auch für Kolleginnen und Kollegen sowie Mitarbeitende, die sexualisierte Grenzverletzungen erlebt haben. „Wer bei uns anruft, wird beraten“, so Dr. Elies-Kramme.

Wendet sich beispielsweise eine MFA in Ausbildung an die neue Stelle, um eine sexualisierte Gewalttat durch ihren Vorgesetzten zu melden, hat die Kammer die Möglichkeit, die Betroffene aus diesem Abhängigkeitsverhältnis herauszunehmen und in ein anderes Ausbildungsumfeld zu bringen. „Gerade für junge Frauen ist eine solche Situation sonst nicht auszuhalten“, erklärt Dr. Elies-Kramme. „Es erfordert schon sehr viel Mut, sich an uns zu wenden.“

Der Auslöser der sexualisierten Gewalt muss schließlich bei der Rechtsabteilung vorstellig werden, die ihn zu dem Missbrauchsfall befragt – und gegebenenfalls muss er mit „unangenehmen, auch berufsrechtlichen Konsequenzen rechnen“, sagt die Kammervertreterin. „Die Kammer nimmt Meldungen solcher Fälle sehr ernst“, betont auch Ärztekammerpräsident Dr. Hans-Albert Gehle. Sie seien mit den Regeln ärztlicher Berufsausübung „keinesfalls vereinbar“. Hier habe die ärztliche Berufsordnung seit jeher „eine rote Linie gezogen, die nicht überschritten werden darf“. Wer gegen diese Regeln verstoße, dem drohten nicht nur strafrechtliche Konsequenzen, sondern auch spürbare Sanktionen nach dem ärztlichen Berufsrecht, so Dr. Gehle.

Quelle: Medical-Tribune-Bericht