Ex-Chefarzt der Palliativmedizin wegen Verdacht auf sexuellen Missbrauch vor Gericht
Angeklagt wurde der Mediziner von der Staatsanwaltschaft Bamberg wegen des Tatvorwurfs der Vergewaltigung. Vor der Strafkammer des Landgerichts Bamberg muss er sich nun verantworten. Er soll die sexuellen Handlungen bei einer Mitarbeiterin gegen deren Willen vollzogen und sie somit auch erniedrigt haben.
Hintergrund: Die Tat war nur wenige Wochen nach Inkrafttreten des verschärften Sexualstrafrechts im Herbst vergangenen Jahres begangen worden. Das Verfahren gegen den Angeklagten wird deshalb in Justizkreisen als Präzedenzfall gesehen. Seit der Reform gilt eine Vergewaltigung bereits als strafrechtlich gegeben und vollendet, wenn eine sexuell bedrängte Person nur verbal oder auch nur mit leichter Gegenwehr verdeutlicht, dass sie das geplante sexuelle Vorhaben nicht duldet, und wenn dann trotzdem etwas geschieht. „Nein heißt nein.“
Der Angeklagte soll laut Staatsanwalt über einen längeren Zeitraum via Telefon verbal einigen Mitarbeiterinnen – mehr oder weniger erfolgreich – sexuelle Avancen gemacht haben.
Kurz vor Weihnachten soll er dann die nun in der Anklage als Opfer aufgeführte Frau zu einem dringenden „dienstlichen Gespräch unter vier Augen“ in die kleine Personalküche bestellt und an ihr „gegen deren erkennbaren Willen sexuelle Handlungen“ begangen haben. „Die Zeugin hatte keine Möglichkeiten, dem Verlangen zu widersprechen“, sagte der Anklagevertreter. Statt mit der Mitarbeiterin tatsächlich dienstlich zu sprechen, soll der Chefarzt die Küchentür blockiert und von der Angestellten – ohne große Umschweife, aber mit entblößten Genitalien – die sexuellen Handlungen verlangt haben, u.a. mit den Worten „Einmal noch!“.
Die Mitarbeiterin soll daraufhin ihre Arme hinter ihrem Rücken verschränkt und dem Angeklagten gesagt haben, dass sie das nicht wolle. Nach einem dennoch erfolgten kurzen, angeblich widerwilligen und nicht vollendeten Oralverkehr soll der Angeklagte die Mitarbeiterin – nun mit einem von ihm erzwungenen Zungenkuss – aus der Küche verabschiedet haben.
Zunächst mit nur Stillschweigen und Hausverbot
Der Anwalt des Angeklagten räumte eine „sexuelle Handlung“ seines Mandanten ein, Oralverkehr habe es aber nicht gegeben.
Keine der betroffenen Frauen hatte den Chefarzt einer Ambulanz angezeigt. Nach Bekanntwerden der Vorwürfe, die anfänglich in Betriebskreisen des Klinikums noch mit Stillschweigen behandelt wurden, erhielt der Angeklagte jedoch Hausverbot.
Zum Prozessauftakt gab der Angeklagte über seinen Verteidiger eine Erklärung ab. Der Anwalt kritisierte, dass vor der Gesetzesreform das angebliche Vorgehen seines Mandanten nicht strafbar gewesen sei. „Es hätte keinen interessiert.“ Die erhobene Anklage der Staatsanwaltschaft sei überzogen und unangebracht und schädige das beruflichen Ansehen des Arztes. Die sexuellen Kontakte zu der in der Anklage genannten Mitarbeiterin seien im gegenseitigen Einvernehmen geschehen.
Anwalt: Der Angeklagte „war bei allen beliebt“
Sexuelle Beziehungen in der Arbeitswelt gehörten oft zum Lebensalltag und die einseitige Beendigung führe manchmal zu großem Ärger, argumentierte der Anwalt. Der Angeklagte passe auch nicht in das Profil eines Sexualstraftäters: „Er war bei allen beliebt, es herrschte ein gutes Miteinander; Medizin und Pflege, das waren bei ihm ein gutes Verhältnis auf Augenhöhe ohne Machtmissbrauch“.
Nach seinem beruflichen und persönlichen Werdegang sowie nach seiner Freizeitgestaltung vom Richter befragt, sagte der Angeklagte selbst: „Mein Beruf, die Palliativmedizin, ist auch mein Hobby. Ich habe immer versucht, sie voranzubringen.“ Das Urteil im Prozess soll Anfang Dezember gesprochen werden.
Es ist nicht der erste Vorfall dieser Art im Klinikum Bamberg. Ein anderer Chefarzt wurde 2016 wegen schwerer Vergewaltigung und sexueller Nötigung zu knapp acht Jahren Haft verurteilt.