Zu wenige Konzepte gegen sexuellen Kindesmissbrauch in Kliniken
Im Jahr 2010 kam es auf der Intensivstation der Helios-Klinik Berlin-Buch zum sexuellen Missbrauch von drei Jungen im Alter von fünf, acht und neun Jahren durch einen Krankenpfleger. Dieser gestand die Übergriffe und wurde verurteilt.
In einem anderen Fall ging es um den Vorwurf des Missbrauchs an einer 16-jährigen Patientin durch einen Krankenpfleger der Charité in der Kinderrettungsstelle. Das Verfahren wurde eingestellt. Eine von der Charité eingesetzte Expertenkommission empfahl u.a., die Liste der Krisenfälle um sexuellen Missbrauch zu erweitern, klare Verantwortlichkeiten, Entscheidungs- und Meldewege festzulegen und Verhaltensweisen in kurzgefassten Umgangs- und Verhaltenskodizes zu formulieren und „kitteltaschenformatige“ Kodizes zu verteilen.
Beide betroffenen Einrichtungen haben Konsequenzen gezogen und Arbeitsabläufe und Strukturen angepasst. Auf der Fachtagung „Schutzkonzepte und Kinderschutz im Krankenhaus“ betonte der Unabhängige Beauftragte für Fragen des sexuellen Kindesmissbrauchs (UBSKM), Johannes Wilhelm Rörig: „Ich erwarte von jeder Klinik und jedem Träger, dass die erforderlichen Ressourcen für einen umfassenden Kinderschutz bereitgestellt werden und Schutzkonzepte in Krankenhäusern im Alltag zur Anwendung kommen.“
Nur 20 % der Kliniken haben ein eigenes Schutzkonzept
Wie eine aktuelle Befragung in 165 somatischen, psychiatrischen und Reha-Kliniken verdeutlichte, haben bisher drei Viertel der Einrichtungen Bausteine eines Schutzkonzepts entwickelt, nur jede fünfte Klinik berichtete über ein eigenes umfassendes Schutzkonzept mit speziellen Ansprechpersonen und Fortbildungen für die Beschäftigten.
Kitteltaschen-Ratgeber zeigt Handlungsablauf im Ernstfall
Einen Kitteltaschen-Ratgeber gibt es übrigens inzwischen. Erstellt wurden die „Hinweise zum Umgang mit sexuellem Missbrauch insbesondere für therapeutisch arbeitende Fachkräfte“ in Zusammenarbeit mit dem UBSKM. Im Fokus steht das Ablaufschema nach Missbrauch und Misshandlung. Hier heißt es: „Der wichtigste Hinweis auf erlebte sexuelle Handlungen sind Äußerungen des Betroffenen.“ Eine zentrale Aufgabe sei es, diese nicht zu verfälschen und adäquat zu protokollieren. Deutlich zu trennen sei zwischen Verdacht, konkreten Äußerungen und Untersuchungsbefund. Weitere Hinweise betreffen das Gespräch mit dem betroffenen Kind, notwendige körperliche Untersuchungen und den Kontakt zu Beratungsangeboten wie der Medizinischen Kinderschutzhotline (Tel.: 0800-19 21 000).Medical-Tribune-Bericht