Gewalt in der Kindheit Je schwerer die Misshandlung, desto größer das frühe Sterberisiko
Gravierende physische und psychische Traumata in der Kindheit werden immer häufiger als mögliche Risikofaktoren für einen vorzeitigen Tod identifiziert. Dr. Yi-Xin Wang vom Department of Nutrition an der Harvard TH Chan School of Public Health in Boston und Kollegen untersuchten in diesem Kontext die Zusammenhänge zwischen physischer/sexualisierter Gewalt und dem Sterben vor dem 70. Lebensjahr. 67.726 Krankenschwestern im Alter zwischen 37 und 54 Jahren nahmen an der Studie teil und füllten 2001 einen Fragebogen bezüglich Missbrauchs- und Gewalterfahrungen in ihrer Kindheit aus. Über maximal 18 Jahre wurden die Frauen bis zum Jahr 2019 nachverfolgt.
Innerhalb des Beobachtungszeitraumes kam es zu 2.410 vorzeitigen Todesfällen. Krankenschwestern, die massive körperliche Gewalterfahrungen oder sexuellen Missbrauch in ihrer Kindheit und Jugend erlitten hatten, zeigten im Vergleich zu denjenigen ohne diese Erfahrungen eine höhere Wahrscheinlichkeit für einen vorzeitigen Tod (3,15 vs. 1,83 Todesfälle bzw. 4,00 vs. 1,90 Todesfälle pro 1.000 Personenjahre).
In der Ursachenanalyse sah man, dass schwerer körperlicher und sexueller Missbrauch mit einem höheren Risiko für externe Ursachen (Verletzungen, Vergiftungen), Suizid und gastrointestinale Erkrankungen assoziiert war. Sexuelle Gewalt ging darüber hinaus mit einem erhöhten Risiko für lebensverkürzende kardiovaskuläre und respiratorische Erkrankungen einher. Generell galt: Je schwerer die frühere Misshandlung, umso größer die Gefahr.
Raucherinnen und Frauen mit Ängsten besonders betroffen
Der Zusammenhang zwischen sexuellen Missbrauchserfahrungen und erhöhter Mortalität war stärker bei den Krankenschwestern, die als Erwachsene mehr Ängste hatten oder rauchten. Das unterstützt die These, dass solche frühen schrecklichen Erlebnisse die Vulnerabilität für psychische Probleme erhöhen und das Risiko steigern, einen ungesunden Lebensstil zu verfolgen.
Die Ergebnisse unterstreichen die Notwendigkeit, Misshandlungsopfer frühzeitig zu erkennen und zu schützen. Außerdem bedürfen sie einer langjährigen psychologischen Begleitung, schreiben Prof. Dr. Leonie Segal und Dr. Jackie Amos von der University of South Australia in Adelaide in ihrem Kommentar. Für all das sind gemeinsame umfassende Bemühungen von Ärzten und politischen Entscheidungsträgern unerlässlich.
Quellen:
1. Wang Y et al. BMJ 2023; 381: e073613; DOI: 10.1136/bmj-2022-073613
2. Segal L, Amos J. BMJ 2023; 381: p930; DOI: 10.1136/bmj.p930