
Politischer Jahresempfang der DDG Lebendige Diskussion um Präventionsfragen, Reformlücken und gesetzliche Nachbesserungen

Die gesundheitspolitische Agen-da für die neue Bundesregierung ist lang: Neben der Krankenhausreform, bei der auch im Diabetesbereich nachgebessert werden muss, kommt die Digitalisierung nur schleppend voran. Daneben lässt die vom Wissenschaftsbündnis DANK geforderte Präventionswende auf sich warten, während die Zahl der Menschen mit Diabetes in Deutschland mittlerweile bei mehr als neun Millionen liegt und weiter ansteigt.
Wie also muss die Diabetesversorgung von morgen aussehen? Darüber diskutierten Expert*innen aus dem Gesundheitswesen, der Diabetologie und der Politik. Die Debatte verlief ergebnisoffen, manchmal auch kontrovers.
Mit der Diabetesstrategie, die er selbst mit auf den Weg gebracht hat, startete MdB Dietrich Monstadt, CDU, in die Diskussion. Bis heute habe der noch amtierende Bundesgesundheitsminister Professor Dr. Karl Lauterbach die Strategie nicht umgesetzt. „Er schafft keine Rahmenbedingungen, er organisiert keine Finanzierung, obwohl er wissen müsste, dass eine Volkskrankheit wie Diabetes endlich angegangen werden muss, sonst bekommen wir das Gesundheitssystem nicht in den Griff.“ Ob Ärzt*innen, Psychotherapeut*innen oder Pflegepersonal: In den nächsten zehn Jahren werden aufgrund des Fachkräftemangels 30 % der Leistungen im Gesundheitssystem nicht mehr vorhanden sein. Deutschland müsse sich deshalb „viel mehr präventiv aufstellen – von der Wiege bis zur Bahre“ und ein Gesundheitsbewusstsein schaffen, das schon in Kita und Schule beginnt. „Wenn wir das nicht hinbekommen, wenn wir Vorsorge nicht ordentlich organisieren und die eigene Verantwortung nicht schulen können, dann laufen wir in einen Kollaps.“
Als „Bürokratiemonster“ beschrieb er das GVSG, das die Schwerpunktpraxen „de facto finanziell austrocknen“ werde. Der CDU-Politiker forderte hierbei eine intensivere Schulung von Hausärzt*innen zum Diabetes sowie mehr oder zumindest den Erhalt diabetologischer Stationen an den Universitätskliniken.
Krankenhausreform im Osten? Nicht umsetzbar!
Die Krankenhausreform werde die Situation nicht verbessern, sondern verschlechtern, erklärte er und führte als Beispiel seinen Wahlkreis in Westmecklenburg an. Dort würde es in der Folge der Reform „nicht nur keine diabetologische Versorgung mehr geben, sondern insgesamt keine Versorgung mehr“, kritisierte Monstadt. „Das Land ist zu dünn besiedelt, wir haben zu wenig Fälle. Die Reform funktioniert in den Flächenländern und gerade im Osten nicht.“
Am Wahlsonntag holte Monstadt dann die eigene Wählerrealität ein, wie er es bereits während des DDG Empfangs befürchtet hatte: Seinen Wahlkreis konnte er nicht gegen die AfD verteidigen. Für den Kampf gegen die Volkskrankheit wolle sich der frühere Berichterstatter für Diabetes der CDU, der selbst Typ-2-Diabetes hat und Insulin spritzt, aber weiter engagieren, hieß es.
„Wir brauchen mehr Ernsthaftigkeit der Gesundheitspolitik im Bereich Diabetes und mehr Prävention“, sagte DDG Präsident Professor Dr. Andreas Fritsche. Die Diabetologie sei hier „das Paradebeispiel für Prävention“, betonte er und verwies auf die politischen Forderungen der DDG (Agenda Diabetologie 2030) sowie den 6-Punkte-Plan des Wissenschaftsbündnisses DANK (s. S. 4).Von den 1.113 Krankenhäusern in Deutschland hätten 302 inzwischen ein DDG Zertifikat. Diese Diabeteszentren behandelten auch die kränkeren Patient*innen mit Diabetes, also jene mit mehr Komplikationen. Das hat eine Analyse der DDG (Zeitraum: 2021 bis 2023, knapp acht Mio. Krankenhausaufnahmen wegen Diabetes) gezeigt. Und noch mehr: Die Krankenhaussterblichkeit der Menschen mit der Hauptdiagnose Diabetes war in zertifizierten DDG Zentren signifikant geringer. „Wir haben Angst, dass diese Diabetes-Zentren, die im pädiatrischen und im Erwachsenenbereich heute existieren, durch die Krankenhausreform gefährdet sind“, so Prof. Fritsche. Er hofft, dass diese Zentren zumindest erhalten bleiben.
„Ich glaube, dass es Unsinn ist, geradezu schwachsinnig, die existierenden Versorgungsstrukturen zu schleifen. Vor allem, wenn man Geld sparen möchte“, kommentierte BÄK-Präsident Dr. Klaus Reinhardt die Krankenhausreform – und sprach sich mit Blick auf den Typ-2-Diabetes erneut für die Zuckersteuer aus. Nicht durch die Krankenhausreform, sondern durch präventives Verhalten in der Gesellschaft ließe sich die Lebenserwartung steigern, sagte Dr. Gerald Gaß, Vorstandsvorsitzender der Deutschen Krankenhausgesellschaft. Ansonsten sei es „schwer zu erklären“, warum Griechenland eine höhere Lebenserwartung als Deutschland habe. An der griechischen Gesundheitsversorgung liege es sicher nicht, betonte er.
DSP: Rückgrat der ambulanten Diabetologie
Derzeit gebe es einen „kalten Strukturwandel“, erklärte Dr. Gaß. Die Krankenhäuser stünden „unter einem enormen wirtschaftlichen Druck, müssten „hart konsolidieren“.
Dazu zähle auch die Diabetesversorgung, bedauerte er. „Wir erleben, dass Versorgungsangebote unter die Räder kommen, von denen wir eigentlich überzeugt sind, dass sie erhalten bleiben und in einem geordneten Prozess über die Krankenhausplanung der Länder neu geordnet werden sollten.“ Beim „schnell beschlossenen“ Rumpf-GVSG“ könnten die DSP nur darauf hoffen, als „die Versorgungsstruktur und das Rückgrat der ambulanten Diabetologie erkannt zu werden“, sagte Antje Weichard aus dem DDG Vorstand, die auf eine entsprechende Entscheidung des Bewertungsausschusses setzt.