„Lebensgefährliches Zögern“: Rückgang der Krebsfrüherkennung während Coronapandemie verzeichnet
Analysen gesetzlicher Krankenkassen machen erhebliche Defizite bei Krebsfrüherkennungsuntersuchungen deutlich. KKH, TK, Barmer – überall zeigt sich das gleiche Bild. Laut Auswertung der KKH ist der Anteil der weiblichen Versicherten, die eine Brust- oder Gebärmutterhalskrebs-Vorsorge bei ihrem Gynäkologen haben durchführen lassen, zwischen 2009 und 2019 in Berlin um rund 15 % gesunken. Lediglich 44 % der anspruchsberechtigten Frauen hätten 2019 das jährliche Vorsorge-Angebot genutzt, 2009 sei es immerhin mehr als jede zweite Frau gewesen, die zur Krebsvorsorge beim Frauenarzt gegangen sei.
Bundesweit sank die Inanspruchnahme bei den KKH-versicherten Frauen um 11 %, nicht einmal jede zweite Frau nutzte das jährliche Vorsorge-Paket 2019, nur 43 % der Frauen suchten hierfür eine gynäkologische Praxis auf. „Aufgrund der Corona-Krise und möglicher Angst vor Ansteckung mit dem Virus bei Arztbesuchen dürfte die Zahl im vergangenen Jahr allerdings noch weiter gesunken sein“, vermutet Michael Gärtner von der KKH in Berlin.
Auch Neuregelungen beim Screening könnten wirken
Die Techniker Krankenkasse nennt in diesem Zusammenhang schon konkrete Zahlen. Im ersten Halbjahr 2020 haben demnach rund 26 % der anspruchsberechtigten TK-versicherten Frauen einen Früherkennungstermin wahrgenommen – etwa ein Fünftel weniger als im ersten Halbjahr 2019. Damals waren es noch 32 %.
Wie stark die Nachholeffekte im zweiten Halbjahr 2020 sind, lässt sich aktuell noch nicht ermitteln, Zahlen dazu lägen erst im Frühsommer vor, so die Krankenkasse. „Möglicherweise haben Frauen ihren Kontrolltermin bei der Frauenärztin auf die Zeit nach der ersten Pandemiewelle verschoben“, meint Ulrich Kosel, zuständig bei der TK für Krebsfrüherkennung.
Er verweist zugleich darauf, dass der Gesetzgeber die regelmäßigen Früherkennungsuntersuchungen auf Gebärmutterhalskrebs zum 1.1.2020 neu geregelt und ein organisiertes Screening-Programm ins Leben gerufen hatte. Auch dies könne die Inanspruchnahme der Krebsfrüherkennung beeinflusst haben.
Laut Neuregelung haben Frauen zwischen 20 und 34 Jahren jetzt ein Anrecht auf ein jährliches Screening mittels eines Pap-Tests. Frauen ab 35 wird der Pap-Test allerdings nicht mehr jährlich, sondern nur noch alle drei Jahre angeboten – kombiniert mit einer Untersuchung auf bestimmte Viren (HPV-Test).
Auch Neuregelungen beim Screening könnten wirken
Kosel sieht Vorteile: So habe eine TK-Auswertung gezeigt, dass im Schnitt über vier Jahre drei von vier anspruchsberechtigten Frauen mindestens einmal einen Früherkennungstermin wahrnahmen. „Das neue Dreijahresintervall entspricht offenbar stärker der Lebensrealität vieler Frauen“, meint der TK-Experte. Frauen zwischen 20 und 65 Jahren erhielten jetzt außerdem regelmäßig Post von ihrer Krankenkasse, und zwar im Fünfjahresrhythmus. Enthalten sei eine persönliche Einladung mit Informationen zur Krebsfrüherkennungsuntersuchung.
Auch im Freistaat Sachsen wird ein Rückgang der Krebs-Früherkennungsuntersuchungen im Zuge der Corona-Pandemie verzeichnet, berichtet die Barmer. Als „lebensgefährliches Zögern“ bezeichnet Landesgeschäftsführer Fabian Magerl das Absinken um 50 %. „Wo Früherkennungsuntersuchungen nicht wahrgenommen oder verschoben wurden, sollten diese schnellstmöglich nachgeholt werden“, betont Magerl weiter.
Keinesfalls solle hiermit auf das Ende der Pandemie gewartet werden. Im Ernstfall könnte dadurch wertvolle Zeit verloren gehen.
Quelle: Medical-Tribune-Bericht