Pädophilie hautnah
Wollen Kinderärzte keine Kinder mehr anfassen? Bei der seit Jahren existierenden „Pädiatrie zum Anfassen“ stand jedenfalls eine Umbennung der Fortbildungsreihe im Raum.
Für die Kriminalpolizei wäre das ein herber Rückschlag. Gerade nach den zahlreichen Ermittlungspannen im Missbrauchsfall Lügde setzen die Beamten auf eine Kooperation mit Fachverbänden und -gesellschaften. Die semantisch-strategische Fahndung helfe, Pädophile in die Finger zu bekommen. Das diesjährige Tagungsthema „Pädiatrie à la carte“ soll potenziellen Tätern die Veranstaltung schmackhafter machen und Pädophile bei der Onlinesuche aus dem Darknet locken.
Ermittler profitieren dabei von der Triebtäter-Spracherkennung von Alexa. Amazon-Mitarbeiter wurden aufwendig geschult, um personenbezogene Daten bei Schlagwörtern wie „Kinder“ oder „anfassen“ umgehend an die Polizei weiterzuleiten.
Auch mit anderen Fachgesellschaften stehen die Beamten bereits in Kontakt. Geplant sind die Fortbildungen „Gynäkologie zum Anfassen“ als Reaktion auf die #MeToo-Debatte und „Urologie zum Anfassen“.
Nicht-medizinische Fahndungspartner wie die katholische Kirche lehnen entsprechende Aktionstage ab. Obwohl ein „Kirchenchor zum Anfassen“ durchaus zur semantischen Ermittlungsstrategie passen würde, sieht der emeritierte Papst einen Interessenskonflikt. Unter den Polizeibeamten findet sich nämlich der Nachwuchs der 68er-Generation. Und „zu der Physiognomie der 68er-Revolution gehörte, dass nun auch Pädophilie als erlaubt und als angemessen diagnostiziert wurde“, so Benedikt XVI.
Sorge über ein Ende der Zusammenarbeit mit den Pädiatern besteht deshalb, weil die Festnahmen – oder besser gesagt die Zugriffe – kreativ geplant waren. Wer dank Alexa als Risikoperson gilt und sich dem Tagungsort bis auf eine Armlänge Abstand nähert, wird jäh gestoppt: Über Lautsprecher bläst den Verdächtigen der 90er-Jahre-Hit „Can’t touch this“ entgegen.
Letztlich kann die Polizei aufatmen. Nach einer Abstimmung bleibt alles beim Alten. 39 Teilnehmer der „Pädiatrie zum Anfassen“ sprachen sich für den bisherigen Namen aus. Auf die beiden Alternativvorschläge fielen 38 und 24 Stimmen. Man könnte das verschobene Kräfteverhältnis zwar so interpretieren, dass sich die Mehrheit eine Änderung wünscht. Aber das hatte ja schon die GroKo vor eineinhalb Jahren nicht richtig verstanden.
Dr. Sascha Bock
Redakteur Medizin