Grenz-wertiger Befund
Stellen Sie sich vor, Sie haben Krebs und keinen interessiert‘s. So oder so ähnlich muss sich ein Patient fühlen, der – seines Zeichens Schweizer, aber in Deutschland lebend – zum eidgenössischen Arzt geht, um seine Prostata untersuchen zu lassen. Ui, die ist aber groß, ui, die Werte sind nicht so gut, aber mit Mitte siebzig kein Grund zur Sorge. Sicherheitshalber aber mal zum Onkologen für MRT und Biopsie. Dann doch die Diagnose Proststakarzinom. Aber regelmäßig kontrolliert, sollte es erfahrungsgemäß kein Problem werden, weil der Tumor, wie man ja weiß, keinen Grund zur Eile hat.
Nun begibt sich besagter Patient wieder einmal zur Kontrolle, hat aber inzwischen von einem schwiizer zu einem alemannischen Hausarzt gewechselt. Über den Berg sozusagen. Der fordert vom onkologischen Fachkollegen die Vorbefunde an und wartet und wartet – stets vor Augen, dass der Eidgenosse an sich nicht eben bekannt ist für hohes Tempo. Zwei Wochen nachdem die Ergebnisse bei seinem deutschen Arzt hätten eintrudeln sollen, ruft der Patient den Schweizer Onkologen an und fragt nach.
Der gibt sich erschüttert, die Ergebnisse seien längst abgeschickt, man verzögere doch nicht, „Gopfried Stutz“ (gemäßigter Schweizer Kraftausdruck).
Wiederum einige Zeit danach die Lösung des Rätsels: Die Ergebnisse sind da, versehen mit einem deutschen Zollstempel. Das Dokument hatte den weiten Weg nach Frankfurt gemacht, zu den dortigen Behörden. Es wurde eingehend untersucht und geprüft. Was könnte da wohl drin sein in einem DIN-A5-Umschlag aus der neutralen Schweiz mit einem Facharzt als Absender und adressiert an einen deutschen Hausarzt Dr. med.? Medizinischer Hanf oder andere Drogen? Schweizer Käse, Bündner Fleisch vielleicht?
Nun haben die medizinischen Befunde also einen Zollstempel, sind über 700 Kilometer durch die BRD gereist und sorgten nebenbei bemerkt nicht für große Besorgnis.
Tim Förderer
Redakteur Medizin