Die Pathologie stärken Personalisierte Medizin durch Vergütungskürzung gefährdet
Maßgeschneiderte Therapien dank Präzisionsmedizin ermöglichen ein längeres Leben und eine höhere Lebensqualität für onkologische Patient:innen. Die dafür essenzielle Pathologie bzw. Molekularpathologie soll jedoch geschwächt werden: Mit der am 1. Januar 2025 in Kraft tretenden Laborreform wird die Budgetierung wichtiger Biomarker abgewertet. Im Seminar „Versorgungsrealität trifft auf personalisierte Onkologie“ diskutierten Expert:innen. „Ohne Pathologie gibt es keine personalisierte Medizin“, brachte es Prof. Dr. Annette Lebeau, Vizepräsidentin des Berufsverbands, auf den Punkt.
Hohe Zentralisierung, Qualität und Effizienz erreicht
Die Pathologie erhebt Befunde über molekulare Testungen bis hin zu immunhistochemischen Markernachweisen. Damit ist sie entscheidend für die Auswahl der richtigen Therapie. In Deutschland arbeiten die meisten der 1.800 Patholog:innen (0,4 % der Ärzteschaft) in Privatinstituten. Etwa sieben Organzentren werden pro Pathologieinstitut versorgt. Nur 164 der knapp 1.700 Krankenhäuser verfügen über eine eigene Krankenhauspathologie. „Das heißt, wir haben schon eine gewisse Zentralisierung in unserem Fach“, erklärte Prof. Lebeau.
Trotz hoher Zentralisierung, Qualität und Effizienz ist die finanzielle Basis gefährdet: Steigende Kosten durch Personal, moderne Technologien und regulatorische Anforderungen (z. B. IVDR) werden nicht ausreichend kompensiert. Prof. Lebeau mahnte, dass eine Kürzung der ohnehin niedrigen Vergütungen die hochwertige Tumordiagnostik gefährde.
Präzisionsonkologie kann nicht nur medizinisch, sondern auch wirtschaftlich von Vorteil sein, hob Dr. Vera Hagemann von der Siemens-Betriebskrankenkasse hervor. Zielgerichtete Therapien reduzieren Nebenwirkungen, verringern die Zahl von Therapiezyklen und senken damit langfristig die Kosten für das Gesundheitssystem.
Diagnostik und Therapien, insbesondere Off-Label-Anwendungen, sind teuer. Aktuell fließen bereits 20 % der Arzneimittelausgaben der gesetzlichen Krankenkassen in die Onkologie – mit steigender Tendenz. Die hohen Kosten für Diagnostik und Therapie, die begrenzten personellen Ressourcen sowie eine mangelnde Standardisierung in der Versorgung erschweren die flächendeckende Einführung.
Ein großes Problem ist die Verzögerung bei der Kostenerstattung von Off-Label-Anwendungen. Krankenkassen fordern oft Nachweise über den Nutzen, die jedoch erst durch die Anwendung dieser Therapien generiert werden können. Hier bedarf es neuer Ansätze, wie etwa Registerstudien, um Daten systematisch zu erfassen. Einige Modelle, wie das niederländische „Drug Rediscovery Protocol“ (DRUP), bei dem initial die Pharmaunternehmen die Kosten übernehmen, könnten als Vorbild dienen.
Prof. Dr. Wolfgang Knauf, Vorstandsvorsitzender des Berufsverbands der Niedergelassenen Hämatologen und Onkologen, betonte die zentrale Rolle der ambulanten Onkologie in der Versorgung von Krebspatient:innen. Bereits heute werden 90–95 % aller Chemotherapien beim Mammakarzinom ambulant durchgeführt. Innovative Therapien, wie subkutan verabreichbare Medikamente, verstärken diesen Trend zur Dezentralisierung. Statt einer starren Zentralisierung plädierte Prof. Knauf für eine „virtuelle Zentralisierung“ durch digitale Netzwerke. Moderne Tumorkonferenzen, die Expert:innen aus verschiedenen Fachrichtungen virtuell zusammenbringen, könnten eine wohnortnahe Versorgung mit höchster Expertise kombinieren.
Die Patientenvertreterin und Vorstandsmitglied von zielGENau Bärbel Söhlke fügte hinzu, dass vor allem junge Patient:innen von personalisierten Therapien profitieren. Sie bleiben länger arbeitsfähig und genießen eine höhere Lebensqualität. Das setzt aber eine frühzeitige und umfassende Diagnostik voraus, die nur durch vernetzte Strukturen gewährleistet werden kann. Das nationale Netzwerk Genomische Medizin (nNGM) für Lungenkrebs konnte schon erste Erfolge verzeichnen. Patient:innen in diesem Netzwerk profitieren durch breite Testungen, frühere Zugänge zu klinischen Studien und eine verbesserte Prognose.
Krankenkassen sollten sich an Studien beteiligen können
Handlungsbedarf konnte abschließend in verschiedenen Feldern festgestellt werden: Diagnostik und Therapie müssen schneller vergütbar sein, Änderungen im SGB V seien ein Ansatz – auch Krankenkassen sollten sich künftig im Interesse der Versicherten an Studien beteiligen können, auch Routinedaten und Register müsse man besser nutzen. Der Pathologie als Dreh- und Angelpunkt der personalisierten Onkologie mangele es zudem an Nachwuchs. Auch den Umgang mit prädiktiven Genanalysen und den Grenzen der Versorgung müsse man in breiten ethischen und gesellschaftlichen Diskussionen hinterfragen.