Praxiskolumne Primärärztlich steuern ist wie „an die Hand nehmen“

Kolumnen Autor: Prof. Dr. Nicola Buhlinger-Göpfarth

Der Mehrwert einer primärärztlichen Steuerung wird immer deutlicher - wichtig ist die Veränderungsbereitschaft für den Transformationsprozess. Der Mehrwert einer primärärztlichen Steuerung wird immer deutlicher - wichtig ist die Veränderungsbereitschaft für den Transformationsprozess. © metamorworks – stock.adobe.com

Schon im vorab bekannt gewordenen Expertenpapier der AG Gesundheit war es zu lesen: Man wolle für eine zielgerichtetere Versorgung und eine schnellere Terminvergabe ein „verbindliches Primärarztsystem bei freier Arztwahl durch Haus- und Kinderärzte in der HzV und im Kollektivvertrag“ einführen. Sollte dieser erklärte Paradigmenwechsel nun tatsächlich Einzug ins Koalitionspapier halten: Es wäre eine Sensation.

Wir wissen noch nicht, ob und wie schnell das Vorhaben tatsächlich umgesetzt werden wird – aber wenn, steht die hausarztzentrierte Versorgung bereit, diese Herausforderung anzunehmen. Denn bei uns sind 10 Millionen Patientinnen und Patienten eingeschrieben, die sich jetzt schon freiwillig hausärztlich steuern lassen.

Steuerung ist im Übrigen – anders als viele glauben machen wollen – keine Zumutung, sondern ein Mehrwert für Patientinnen und Patienten. Primärärztliche Steuerung ist das hausärztliche ,,an die Hand nehmen“, das Begleiten durch ein immer komplexer werdendes System, in dem sich viele alleine nicht mehr zurechtfinden. Und: Hausärztliche Steuerung ist eine komplexe Aufgabe, die nicht nebenbei erledigt werden kann. Da muss Qualität hinterlegt sein und ein Preisschild dran. Sonst  wird nur eine reine Überweisungssteuerung möglich sein.

Die Voraussetzungen für eine echte primärärztliche Steuerung sind im Selektivvertrag in der hausarztzentrierten Versorgung bereits geschaffen. Die Politik muss das Rad also gar nicht neu erfinden, sondern kann sich der etablierten und evaluierten Struktur der HZV und der angeschlossenen Hausarzt-Facharzt-Verträge bedienen.

Gleichzeitig bietet die HZV auch Antwort auf die Frage, wie die wenigen Hausärztinnen und Hausärzte das denn schaffen sollen, wenn alle künftig erst mal in die Hausarztpraxis müssen. Denn wir setzen schon seit Langem auf die Teampraxis. Mit HÄPPI (Hausärztliches Primärversorgungszentrum – Patientenversorgung Interprofessionell) hat der Hausärztinnen- und Hausärzteverband ein Konzept vorgelegt, das den zunehmend komplexeren Workflow gestalten kann. Wenn wir dagegen weiter arbeiten wie vor 100 Jahren, ohne Digitalisierung und ohne Delegation, dafür mit Faxgeräten und höchstpersönlicher Leistungserbringung in Arztpräsenzsprechstunden, wird es in der Tat schwer werden, immer mehr Menschen zu sehen, zu behandeln und zu steuern.

Der Instrumentenkasten der HZV bietet mit Teampraxenzuschlägen, Öffnung der Definition des Arzt-Patienten-Kontaktes in einen Praxis-Patienten-Kontakt und bereits implementierten Delegationsverfahren an VERAH, Physician Assistants oder Community Health Nurses die notwendigen Voraussetzungen für ein flächendeckendes hausärztliches Primärarztsystems. So könnten durch maximale Delegation und hybride Versorgung sowie durch Förderung der Gesundheitskompetenz deutlich mehr Menschen gesteuert versorgt werden.

Angeschlossen werden können neben Fachspezialistinnen und -spezialisten auch Krankenhäuser und Apotheken. Die Pilotierung wurde im Dezember 2024 erfolgreich beendet und die ersten Evaluationsergebnisse zeigen klar, dass der Grad der Digitalisierung  in HÄPPI-Praxen deutlich ansteigt  und dass grundsätzlich jede Praxis ,,HÄPPI werden kann“.

Freilich benötigt der Transformationsprozess Zeit und Investitionen und auch Veränderungsbereitschaft im Team. Wichtig ist, Anreize für veränderungswillige Praxen zu setzen. Eine Anreizsystematik ist seit jeher der Erfolgsgarant für Innovationsoffensiven in der HZV und wir sind unter Hochdruck dabei, gleich mit mehreren Krankenkassen diese Voraussetzungen zu verhandeln.

Wir glauben, dass dieses System  geeignet ist, unsere Gesundheitsversorgung zu revolutionieren. Und wenn sich Deutschland nun auf den Weg zu einem Primärarztsystem aufmachen will, braucht es erst recht genau solche Konzepte. Möglich ist, was machbar ist!

Ihre 
Prof. Dr. Nicola Buhlinger-Göpfarth