Prost Neujahr!
Ich bin krank, furchtbar krank. Der Kopf schmerzt, der Bauch irgendwie auch, die Glieder sowieso. Eine bleierne Müdigkeit hält mich in ihren Fängen, die Schwerkraft drückt mich tief in meine Schlafstatt, saugt mich hinein in die Matratze. Meine Symptome liegen „außerhalb der natürlichen Schwankungsbreite“, im Medizinersprech.
Vor einiger Zeit hätte man noch gesagt, selber Schuld, das eine oder andere Glas weniger an Silvester hätte es auch getan. Jetzt aber bekomme ich höchstrichterlichen Segen, vom Oberlandesgericht Frankfurt: Ich bin krank, schwer krank, schließlich leide ich unter Veisalgia, umgangssprachlich einem Kater. Das OLG erkannte diese Alkoholexzessfolgen vor Kurzem als Erkrankung an*. Generationen von Feierwütigen können sich nun bestätigt fühlen.
Machen Sie sich also auf was gefasst: In ihrem Wartezimmer könnte zunehmend die Alkoholfahne wehen. Denn warum soll man sich mit dickem Kopf zur Arbeit schleppen, wenn man doch höchstrichterlich mit gelben Zettel krank sein darf? Da bekommt der Begriff Krankfeiern eine ganz andere Dimension.
Anlass des OLG-Rechtspruchs war übrigens eine Klage gegen den Hersteller eines Nahrungsergänzungsmittels. Der hatte sein Produkt als wirksam gegen die Symptome eines Katers beworben. Laut EU-Verordnung dürfen „Informationen über ein Lebensmittel diesem keine Eigenschaften der Vorbeugung, Behandlung oder Heilung einer menschlichen Krankheit zuschreiben ... “ Da es sich laut OLG bei einem Kater eben um eine Krankheit handelt, gilt das Werbeverbot. Naja, werben muss die Firma aber jetzt wahrscheinlich ohnehin nicht mehr. „Läuft“ neudeutsch gesagt. Prost Neujahr.
* Das Urteil des OLG Hessen vom 12.09.2019 ist seit Kurzem rechtskräftig
Tim Förderer
Redakteur Medizin