Sterbehilfe: Was Ärzte dürfen und was nicht

Gesundheitspolitik Autor: Anke Thomas

Sollen Ärzte in Deutschland nicht nur passive Sterbehilfe, sondern auch Beihilfe zum Suizid leisten dürfen?Kollegen diskutierten über diese Fragen auf dem 50. Ärztekongress.

Der Autonomie des Patienten wird heute von Rechts wegen immer mehr Bedeutung zugemessen, so Professor Dr.  jur. Konrad Stolz auf dem Workshop "Sterbehilfe, Sterbebegleitung, ärztlich assistierter Suizid" im Rahmen des 50. Ärztekongresses der Bezirksärztekammer Nord-Württemberg. Immer noch müssen Ärzte  mit gewissen Unsicherheiten und rechtlichen Unschärfen leben.

2010 hat der Bundesgerichtshof (Az.: 2 StR 454/09) entschieden, dass ein Arzt die Behandlung bei einem Sterbenskranken abbrechen darf, z.B. das Beatmungsgerät abstellen, sofern dies dem mutmaßlichen Patientenwillen entspricht.

Wörtlich heißt es: „Sterbehilfe durch Unterlassen, Begrenzen oder Beenden einer begonnenen medizinischen Behandlung (Behandlungsabbruch) ist gerechtfertigt, wenn dies dem tatsächlichen oder mutmaßlichen Patientenwillen entspricht (§ 1901a BGB) und dazu dient, einem ohne Behandlung zum Tode führenden Krankheitsprozess seinen Lauf zu lassen.“

Entscheidend ist der Wille des Patienten

Erlaubt ist auch indirekte Sterbehilfe, wenn der Arzt einem Patienten, der sterbenskrank ist und schwer leidet, deshalb schmerzstillende Mittel gibt und dabei in Kauf nimmt, dass der Tod möglicherweise früher eintritt.

Gibt der Arzt jedoch einem nicht mehr urteils- und entscheidungsfähigen Patienten, der schwer leidet, aus Mitleid eine höhere Dosierung in der Absicht, damit seinen Tod herbeizuführen, macht er sich strafbar.

Ärztliche Beihilfe ist je nach Bundesland standeswidrig

Beihilfe zum frei verantworteten Suizid ist auch für einen Arzt nicht strafbar. Es kann jedoch, je nach Bundesland, standeswidrig sein. Der Deutsche Ethikrat hat Ende 2014 empfohlen, dass sich die Ärztekammern hier bundesweit auf einheitliche Regeln einigen.

Ob ein Suizident tatsächlich aus freien Stücken den Weg des Freitods wählt, kann eigentlich nur jemand beurteilen, der den Patienten und seine psychische Verfassung kennt. Das ist in der Regel der Hausarzt.

 

Rechtlich unklar ist, ob er retten muss, wenn er seinen Patienten nach einem Suizidversuch antrifft oder ob er die freie Willensentscheidung respektieren darf. Ein Passant, der einen ihm fremden Menschen nach einem Suizidversuch bewusstlos antrifft und keinen Rettungsversuch unternimmt, macht sich wegen unterlassener Hilfeleistung strafbar.

Wollen Ärzte überhaupt beim Sterben helfen dürfen?

Aber was halten Ärzte von dem Gedanken, ihre Patienten beim Sterben helfen zu dürfen?

Dr. Ernst Bühler, an den Kreiskliniken Esslingen, Kirchheim unter Teck, für ärztliches Qualitätsmanagement zuständig, weist auf eine im November 2014 veröffentlichte Studie der Schweizer Akademie der Medizinischen Wissenschaften (SAMW) hin, bei der die Meinung von 1320 Ärzten zur Sterbehilfe abgefragt wurde.

Dabei hielten rund drei Viertel der antwortenden Mediziner ärztliche Suizidhilfe für grundsätzlich vertretbar, gut ein Fünftel lehnt sie in jedem Fall ab. In Kombination mit der persönlichen Bereitschaft, Suizidhilfe zu leisten, können drei Grundhaltungen unterschieden werden:

  • Fast jeder zweite Arzt erachtet Suizidhilfe als grundsätzlich zulässig und kann sich Situationen vorstellen, in denen er persönlich bereit wäre, Suizidhilfe zu leisten.


  • Ein gutes Fünftel toleriert zwar Suizidhilfe, würde diese aber selbst nicht leisten.


  • Ein Fünftel der Antwortenden lehnt Suizidhilfe in jedem Fall ab.


Wichtiges Kriterium für die Vertretbarkeit der ärztlichen Suizidhilfe war für die befragten Ärzte der Gesundheitszustand des Patienten.

Wenn der ärztlich assistierte Suizid in Deutschland standesrechtlich erlaubt werden sollte, müssen viele Punkte im Vorfeld bedacht werden, macht Dr. Bühler aufmerksam.

Besteht die Gefahr einer gesellschaftlich akzeptierten Üblichkeit und die Gefahr fremdbestimmter Einflussnahme? Darf eine Organisation die Beihilfe geschäftsmäßig organi­sieren?

Blick in die Niederlande: Wohin geht die Entwicklung?

Mit Verweis auf die Niederlande, wo unter bestimmten Umständen aktive Sterbehilfe (Tötung auf Verlangen) bei Schwerstkranken erlaubt ist, meinten einige Teilnehmer, dass dies auch bei uns in zehn Jahren diskutiert werden würde.

Ärzte sollten deshalb jetzt überlegen, ob und welche Aufgaben sie im Zusammenhang mit der Beihilfe zum Suizid übernehmen möchten.