„Sterben in Würde ist auch ohne Suizid möglich“
Menschen suchen, wenn sie alt oder gebrechlich werden, Exit-Strategien für den Fall, dass sie das Leben nicht mehr ertragen können. „Das ist nicht nur ein medizinisches, geriatrisches oder psychiatrisches, sondern auch ein gesellschaftliches Problem, auf das wir eine Antwort brauchen“, meint Professor Dr. Bernd Alt-Epping, Leitender Oberarzt am Palliativzentrum der Universitätsmedizin Göttingen. „Wir müssen uns fragen, ob wir eine Gesellschaft wollen, in der Suizid und Tötung auf Verlangen zu einem als normal empfundenen Lebensende werden.“
Symptome lindern und Pflege gut organisieren
Die Auslöser der Suizidwünsche sind vielfältig: Unerträgliches Leid und Siechtum spielen ebenso eine Rolle wie Einsamkeit, Überforderung, Furcht vor dem Verlust der Autonomie und das Gefühl, „lebenssatt“ zu sein. Bei genauer Betrachtung dieser Liste fällt auf: „Fast allem können wir ärztlicherseits etwas entgegensetzen, außer vielleicht dem Gefühl der Lebenssattheit“, meinte Prof. Alt-Epping.
So lassen sich körperliches Leiden durch Schmerztherapie und andere symptomatische Maßnahmen lindern, sozialen Problemen und Autonomieverlust kann man mit gut organisierter Pflege und psychosozialer Betreuung entgegenwirken. Ein wichtiges Thema ist die Vorsorge für das Lebensende, Stichwort: Advance Care Planning. Das gilt sowohl im Bereich der onkologischen als auch in dem der geriatrischen und hausärztlichen Medizin.
Mit Vorsorgevollmacht und Patientenverfügung lässt sich dem Gefühl entgegenwirken, das Selbstbestimmungsrecht ende, wenn der Patient nicht mehr einwilligungsfähig ist, so der Palliativmediziner. Ein wichtiger Punkt ist seiner Ansicht nach, Erwartungen an die Realität anzupassen. Menschen müssen akzeptieren, dass sie mit fortschreitendem Alter Leistungsfähigkeit einbüßen und auf Hilfe anderer angewiesen sein werden.
Gleichzeitig sollten sie wissen, dass die Medizin meistens in der Lage ist, ihnen Schmerzen und einen leidvollen Tod zu ersparen. „Ein Sterben in Würde ist ohne Suizid möglich“, betonte Prof. Alt-Epping. Unrealistisch und letztlich kontraproduktiv sei aber die Erwartung, dass die Palliativmedizin alle Patienten völlig schmerzfrei machen könne.