Freiwilligen Verzicht auf Flüssigkeit und Nahrung bei Sterbenden respektieren
Tumorerkrankungen gehen häufig mit einem schweren Gewichtsverlust einher. Die Patienten sind abgemagert, haben periphere oder Lungenödeme sowie einen verringerten Hautturgor. Zwar kann eine hochkalorische Ernährung einen beginnenden Gewichtsverlust kompensieren. Im späteren Stadium ist das aufgrund der katabolen Stoffwechsellage nicht mehr möglich.
Während Angehörige und Ärzte das reduzierte Hunger- und Durstgefühl des Sterbenden in der Regel belastet, empfinden es die Betroffenen meist nicht als Qual. Denn keiner verhungert oder verdurstet qualvoll, wenn er weder Durst noch Hunger verspürt, zitiert Dr. Norbert Schürmann die Position des Bayerischen Landesausschusses. Freiwillig die Nahrungsaufnahme zu beenden, ist ein Teil des natürlichen Sterbeprozesses, so der Anästhesist von der Abteilung für Schmerz- und Palliativmedizin des St. Josef Krankenhauses in Moers.
Eine verminderte Flüssigkeitszufuhr von 500 ml täglich reicht am Lebensende meist völlig aus und hat einige Vorteile:
- weniger Erbrechen
- weniger Husten, Verschleimung
- weniger Ödeme
- weniger Schmerzen
- erhöhte Endorphinkonzentration
- verbesserter Hautturgor
- Verhinderung von Dekubitus
Allerdings sollte immer abgeklärt werden, ob die Appetitlosigkeit und die reduzierte Aufnahme von Nahrung und Flüssigkeiten allein mit dem Sterbeprozess zusammenhängen (s. Kasten).
Warum Sterbende wenig essen und trinken
- Mund-/Schleimhautentzündung (Stomatitis, Soor)
- Geschmacksstörung, Zinkmangel, brennende Zunge
- Schluckstörung
- Hypersalivation
- Kaustörungen
- Dysphagie, Odynophagie, Soorösophagitis
- Reflux
- akute Nausea und Erbrechen, auch durch Chemo- oder Radiotherapie
- chronische Nausea, frühes Sättigungsgefühl, autonome gastrointestinale Dysmotilität
- schwere Verstopfung
- Verwirrung, Demenz und andere psychische Ursachen
- Angst vor Stuhlinkontinenz nach dem Essen
- Wünsche, Bedürfnisse und Ablehnungen des Patienten respektieren
- das subjektive Durst- und Hungergefühl stillen
- ein zwangloser, mengenunabhängiger Genuss
- appetitsteigernde Angebote machen
- Völlegefühl, Übelkeit, Erbrechen und andere Begleitsymptome lindern
- Ängste des Patienten und der Angehörigen ernst nehmen
Quelle: Schürmann N. Schmerzmedizin 2019; 35: 42-44; DOI: doi.org/10.1007/s00940-019-1159-5