Palliativmedizin „Der Wunsch zu sterben ist nichts Pathologisches“
Offen und klar ausgesprochen werden Sterbewünsche eher selten, schreiben Dr. Dietmar Weixler vom Landesklinikum Horn-Allentsteig in Österreich und Kollegen. Wenn die Patienten darüber reden, dann am ehesten mit ihnen nahestehenden Personen. Gründe, sterben zu wollen, gibt es viele:
- körperliche Symptome (Schmerzen, Erstickungsgefühl, chronische Übelkeit, Inkontinenz, übelriechende Wunden)
- psychischer Distress (Angst, Traurigkeit und Depression, die Furcht, auf Pflege oder lebenserhaltende Maschinen angewiesen zu sein)
- soziale Aspekte (die Sorge, andere zu belasten, Einsamkeit und Isolation, finanzielle Nöte, die Furcht, vom Partner oder der Familie aufgrund der Erkrankung verlassen zu werden)
- existenzielles Leiden (Verlust des Lebenssinns)
In solchen belastenden Lebenssituationen ist der Wunsch zu sterben nichts Pathologisches, sondern ein normales Phänomen, stellen die Palliativmediziner klar. Häufig sind Sterbewünsche partiell, dynamisch und ambivalent („Ich möchte leben, und ich möchte sterben“). Zudem variieren sie in ihrer Konkretheit.
Aktiv zuhören und nach den Gründen fragen
Spricht der Kranke mit dem Arzt über seinen Sterbewunsch, ist das als Vertrauensbeweis und als Privileg zu verstehen. Der sollte dem Patienten und seinen Angehörigen versichern, dass dieses Verlangen nach dem Tod in bestimmten Situationen etwas Normales ist und keinesfalls moralisch anstößig. Wichtig ist, nach den Gründen und Absichten zu fragen, aktiv und nicht wertend zuzuhören und die individuellen Erfahrungen des Patienten zu respektieren.
Das Behandlungsteam kann eine Menge für das Wohlergehen dieser Patienten tun:
- belastende Symptome erfassen und angemessen behandeln
- Spannungen und Schwierigkeiten in den Beziehungen des Sterbewilligen erkennen und klären
- psychoexistenzielle Belastungen (Angststörungen, Depressionen, Schuldgefühle, Trauer) erfassen und beseitigen
- religiöse, spirituelle und philosophische Ansichten nachvollziehen
Darüber hinaus sind alle Maßnahmen hilfreich, die das Sicherheitsgefühl und das Kontrollvermögen des Betroffenen wiederherstellen. Das kann etwa eine selbst steuerbare Schmerzpumpe sein oder das Berücksichtigen der persönlichen Vorlieben und des Tagesrhythmus des Patienten. Auch den Aufenthalt in einer spezialisierten Einrichtung wie einer Palliativstation oder einem Hospiz erleben Menschen in diesen Grenzsituationen oft als Zugewinn an Sicherheit.
Bis zur Bewusstlosigkeit
Quelle: Weixler D et al. internistische praxis 2021; 64: 149-158