Intensivmedizin Patienten in Würde gehen lassen

DGIM 2022 Autor: Maria Weiß

Wie sich ein Schwerkranker seine Versorgung am Lebensende vorstellt, sollte man frühzeitig mit ihm  
besprechen. Wie sich ein Schwerkranker seine Versorgung am Lebensende vorstellt, sollte man frühzeitig mit ihm besprechen. © Nikki Zalewski – stock.adobe.com

Wenn es zu Ende geht, wollen die meisten Menschen friedlich zu Hause sterben, begleitet von ihren Angehörigen. Die Realität sieht aber immer noch völlig anders aus.

Immer häufiger verbringen Menschen ihre letzten Lebenswochen in Krankenhäusern und auf Intensivstationen. So nahm in Deutschland die Zahl der Kliniktodesfälle mit Intensivtherapie zwischen 2007 und 2015 jährlich um 2,3 % zu und stieg insgesamt von 9,8 % auf 11,8 % an. In der Altersgruppe der über 65-Jährigen erhöhte sich die Zahl der auf Intensivstationen Verstorbenen dreimal so schnell wie die allgemeine Krankenhaussterblichkeit, berichtete die Palliativmedizinerin Prof. Dr. Claudia Bausewein von LMU München.

Nicht selten ist es die Chemotherapie, die Menschen am Lebensende ins Krankenhaus führt. Bei denen mit noch gutem Funktionsstatus reduziert sie „nur“ die Lebensqualität in den letzten Tagen deutlich. War der Funktionsstatus mäßig bis schlecht, steigt zusätzlich das Risiko für Reanimation und/oder Beatmung, Verlegung in ein Hospiz oder Tod auf der Intensivstation. 

Palliativversorgung zielt vor allem auf Lebensqualität

Um solche Verläufe zu verhindern, muss das Ziel einer Therapie immer wieder hinterfragt werden. In der Palliativbehandlung geht es um verlängerte Überlebenszeit, lokale Tumorkontrolle, Funktionserhalt, Linderung tumorbedingter Symptome und auch um Lebensqualität, erläuterte Prof. Bausewein. Mit der Palliativversorgung will man dagegen vor allem die Lebensqualität erhalten, Leiden lindern und Angehörige unterstützen. Das Sterben in Würde mit der Möglichkeit, Abschied zu nehmen, steht ganz im Vordergrund.

Solche Ziele sollten möglichst früh im Krankheitsverlauf besprochen und dann immer wieder angepasst werden. Bei aufgeklärten, einwilligungsfähigen Patienten ist der aktuelle Wille vorrangig. Kann er nicht mehr geäußert werden, wird gemäß einer schriftlichen Patientenverfügung oder dem mutmaßlichen Willen gehandelt. Letzterer leitet sich aus frühere Aussagen des Kranken ab.

In einem Positionspapier der Deutschen Interdisziplinären Vereinigung für Intensiv- und Notfallmedizin findet man einen „TRIKK“, um eine Überversorgung palliativer Patienten auf der Intensivstation zu vermeiden (siehe Kasten). Auch in der S3-Leitlinie Palliativmedizin wird betont, dass in der Sterbephase alle medizinischen, pflegerischen und physiotherapeutischen Maßnahmen, die nicht dem Therapieziel größtmöglicher Lebensqualität dienen, nicht eingeleitet oder abgebrochen werden sollen. Dazu gehören u.a. Beatmung, kardiopulmonale Reanimation, Dialyse, Therapie auf der Intensivstation – aber auch die Lagerung zur Dekubitus- oder Pneumonieprophylaxe.

TRIKK gegen Überversorgung

  • T: Formuliere das Therapieziel.
  • RReevaluiere das Therapieziel regelmäßig und kritisch.
  • I: Stelle sicher, dass es für jede geplante oder laufende Therapie eine Indikation gibt, die dem Erreichen des Therapieziels dient.
  • K: Stelle sicher, dass jede dia­gnostische Prozedur eine Konsequenz hat, dem Erreichen des Therapieziels dient.
  • K: Stelle sicher, dass weiterhin ein mutmaßlicher, vorausverfügter oder definitiver Konsens des Betroffenen mit allen diagnostischen und therapeutischen Maßnahmen besteht.

Quelle: 128. Kongress der Deutschen Gesellschaft für Innere Medizin