Die Lücken bei der Hospiz- und Palliativversorgung beachten und schließen
Auf der einen Seite steht die Hochleistungsmedizin und auf der anderen Seite gibt es immer noch mancherorts eine Sterbeeinsamkeit, brachte es Professor Dr. Horst Seibert, Weilrod, auf den Punkt. Gerade bei der Palliativversorgung und Sterbebegleitung können Zeitdruck, Personalsituation, Arbeitstaktung und ökonomisch bedingte Rationalisierung zu dem Gefühl führen, dem Selbstanspruch als Pflegekraft oder Arzt nicht nachkommen zu können, so der Theologe, der sich u.a. mit dem Arbeitsschwerpunkt Thanatologie und Thanatagogik* befasst.
Als besondere Herausforderung gilt zudem, einen inneren Zugang zu Menschen anderer kultureller Herkunft zu schaffen. Denn Konzepte von Leben, Gesundheit, Tod und Sterben sind sehr verschieden und stark durch soziokulturelle und religiöse Rituale geprägt, veranschaulichte Professor Dr. Claude-Hélène Mayer, Kapstadt. Das Ziel sei letztlich, kulturübergreifend empathisch auf sterbende Menschen einzugehen.
Pflegende müssen Gehör finden – und Unterstützung
So betrachtet gilt, Gefühle und Wünsche von Schwerstkranken und Sterbenden bei der Abwicklung des therapeutischen Programms nicht auszublenden. Beim Umgang mit Sterbenden geht es auch um deren individuelle Bedürfnisse, was auf der Basis der persönlichen Biografie und der kulturellen Herkunft eine enorme Herausforderung sein kann, verdeutlichte Eugen Brysch, Vorstand der Deutschen Stiftung Patientenschutz (siehe Kasten 1). Ebenso sind die Vorstellungen von Angehörigen zu beachten – sofern es sie gibt oder sie sich kümmern. Erfahrungsgemäß möchten Angehörige:
- eingebunden sein, ohne überfordert zu werden
- vertraute, jederzeit erreichbare Ansprechpartner
- professionelle, erfahrene Pflegende, die auch Unsicherheiten (der Angehörigen) auffangen
- bei Fragen und Ängsten ggf. psychosoziale und spirituelle Begleitung
Wünsche von Patienten
- in ihrer gewohnten Umgebung, z.B. ihrem Zimmer oder auf der jeweiligen Station, bleiben
- dass individuelle Wünsche und Bedürfnisse berücksichtigt werden
- vertraute Menschen um sich haben
- eine gute Symptomkontrolle, insbesondere bei Schmerzen
- eine Atmosphäre der Geborgenheit, in der Pflegende jederzeit ansprechbar sind
Was das Pflegepersonal benötigt
- Zeit und Flexibilität bei Routineaufgaben, bei der Pflegeplanung und der Erreichbarkeit
- ein eingespieltes, vertrautes Team
- Vorbereitung, Begleitung und Supervision
- Erfahrung, insbesondere bei der Kontrolle von Symptomen
- möglichst reibungslose Abläufe und keine Probleme an Schnittstellen zwischen Ärzten, Personal und Helfern
- Kenntnisse über die Herausforderungen einer interkulturellen Sterbebegleitung und Zeit für diese Aufgabe
Jährlich Mehrkosten in Höhe von 800 Millionen Euro
Ein individueller Rechtsanspruch auf Hospizleistungen für Pflegeheimbewohner bedeute, dass sich die Voraussetzungen, der Personaleinsatz und die Qualität an den Bedingungen für stationäre Hospize orientieren. Grob geschätzt heißt dies, dass jährlich Mehrkosten in Höhe von etwa 800 Millionen Euro zu kalkulieren sind (über SGB V als Zusatzleistung), so Brysch. Aber es gibt offenbar noch weitere Hürden zu überwinden, etwa bei Standards: Was die Hospiz- und Palliativversorgung konkret bedeutet, wird durchaus unterschiedlich gesehen und auch ein einheitlicher bundesweiter Personalschlüssel existiert offenbar nicht.* abgeleitet von Death Education (Bildung und Erziehung auf das Sterben und den Tod hin)