„Übergangsgeldaffäre“: Berliner Ex-KV-Vorstände freigesprochen

Gesundheitspolitik Autor: Thomas Trappe

Die Berliner Strafkammer sah von Anfang an wenig Substanz in der Anklage. Die Berliner Strafkammer sah von Anfang an wenig Substanz in der Anklage. © Thomas Trappe

Im Strafprozess zur Berliner „Übergangsgeldaffäre“ der Kassenärztlichen Vereinigung bezichtigte das Gericht die Ermittlungsbehörden der Schlamperei und übereifrigen Anklage. Die Beschuldigten wurden allesamt freigesprochen.

Die ehemalige KV-Vorstandsvorsitzende Dr. Angelika Prehn, ihr Vize Dr. Uwe Kraffel und das einstige Vorstandsmitglied Burkhard Bratzke haben sich nicht mithilfe des mitangeklagten Ex-VV-Chefs Dr. Jochen Treisch unrechtmäßig Zugriff auf Übergangsgelder in Höhe von jeweils 183 000 Euro verschafft. Das stellte Richter Thilo Bartl in seinem Urteil zu den Untreue-Vorwürfen gegen den ehemaligen Berliner KV-Vorstand klar.

Dabei übte der Richter nochmals deutliche Kritik an der Staatsanwaltschaft und den Ermittlungsbehörden – diese hätten schlampig ermittelt und übereifrig angeklagt. Das Gericht, so Bartl, müsse sich bei den Freigesprochenen für die Dauer von der Anklage bis zum Prozess entschuldigen. Diese habe zu „einer jahrelangen Belas­tung“ geführt.

Die strittigen Gelder wurden im Februar 2011 und damit kurz vor Beginn der zweiten Amtszeit der Vorstände gezahlt, alle drei Beschuldigten waren in dieser Konstellation schon eine Legislaturperiode lang im Amt. In ihren alten Verträgen fand sich eine Regelung, laut der sie pro geleistetem Dienstjahr zwei Monatsgehälter Übergangsgeld erhalten sollten – was nach einer sechsjährigen Legislaturperiode einem Jahresgehalt entsprach, konkret je 183 000 Euro.

Ohne die Auszahlung wollten sie nicht mehr kandidieren

Die Vorstände gaben im Prozess an, diese Abfindung von Anfang an als Gehaltsbestandteil betrachtet zu haben, der die im Vergleich zu Vorständen vergleichbarer Kassenärzt­licher Vereinigungen unterdurchschnittliche Entlohnung ausgleichen sollte – ohne die Auszahlung wären sie nicht bereit gewesen, 2011 erneut zu kandidieren.

Allerdings legten die Vorstandsverträge die Auszahlung für den Fall fest, dass es einen Übergang zurück in die Arztpraxis gibt – vom Übergang in eine neue Legislatur war nicht die Rede. Zum anderen gab es ein Arbeitspapier der Senatsverwaltung für Gesundheit aus dem Jahr 2006, das der KV vorgab, Übergangsgelder künftig maximal in Höhe von sechs Monatsgehältern auszuzahlen. Weil die Vorstände 2011 aber nicht bereit waren, auf ihre fest eingeplante Zahlung zu verzichten, suchten sie zusammen mit dem gerade zum Vorsitzenden der Vertreterversammlung (VV) gewählten Dr. Treisch sowie externen Juristen nach Wegen, das Geld zu bekommen.

Zunächst wurde diskutiert, die entsprechende Summe im Fall einer Wiederwahl anteilig auf das künftige Gehalt aufzuschlagen und das Übergangsgeld ganz entfallen zu lassen. Das wäre ohne Weiteres möglich gewesen, hätte aber zu einer dauerhaften Erhöhung der Vorstandsgehälter, auch für nachfolgende Amtsperioden, geführt. Zudem hätte die Gefahr bestanden, dass es künftig an der Spitze der KV Gehaltsunterschiede gegeben hätte. Dann nämlich, wenn einer der drei Vorstände nicht wie erwartet wiedergewählt worden und ein neues Mitglied aufgerückt wäre – Entlohnungsgefälle zwischen Haus- und Fachärzten im Vorstand sollten wegen der Machtbalance beider Gruppen aber unbedingt vermieden werden.

Schließlich einigte man sich auf die Auszahlung der Übergangsgelder an die Vorstände am Ende der ersten Amtsperiode. Dafür gab der gerade ins Leben gerufene VV-Ausschuss grünes Licht, später auch die VV – Letztere allerdings erst, nachdem Dr. Treisch der Auszahlung der Gelder Ende Februar telefonisch gegenüber der KV-Finanzabteilung zugestimmt hatte. Zuvor hatten die externen Juristen die Auszahlung als unproblematisch eingestuft.

Schon zu Beginn des Prozesses machte die 28. Strafkammer deutlich, dass sie wenig Substanz in der Anklage sah. Dem Arbeitspapier der Senatsverwaltung maß Richter Bartl wenig Bedeutung zu. Von so etwas habe man „erfahrungsgemäß nichts zu halten“, schon gar nicht sei das Papier rechtsverbindlich. Die Senatsverwaltung, so Bartl, habe „während eines laufenden Spiels die Spielregeln verändert“, was bei bereits existierenden Verträgen immer schwer sei.

Hauptproblem sei gewesen, in den Verträgen überhaupt von einem „Übergangsgeld“ zu sprechen, wenn es doch einen ganz anderen Zweck erfüllt habe. „Es ging schlicht und ergreifend um einen Ausgleich für den Wertverlust der eigenen Praxis“, der zwangsläufig auftrete, wenn Praxisinhaber durch die Arbeit im KV-Vorstand jahrelang abwesend sind. In diesem Sinne hätten die Vorstände jedes Recht gehabt, eine Prämie auszuhandeln – die man dann auch so hätte nennen sollen.

Wichtige Zeugen wurden nicht angehört

Regelrecht erzürnt zeigte sich der Richter wegen der Ermittlungsarbeiten. Bei diesen seien wichtige Zeugen, zum Beispiel der maßgebliche externe Jurist oder Dr. Treischs Amtsvorgänger, nicht angehört worden. Auch sei bei den oberflächlichen Ermittlungen nicht die Frage gestellt worden, was der VV-Chef von der Straftat der Untreue ge­habt haben soll. „Das wurde von der Staatsanwaltschaft bis zuletzt nicht dargelegt“, betonte Bartl. Es sei geradezu „irre“, dass Dr. Treisch in der Anklage als Einziger der Untreue bezichtigt, die anderen drei hingegen nur als Anstifter aufgeführt wurden.

Die Kosten des Verfahrens muss laut Urteil nun die Staatskasse tragen. Dass die Staatsanwaltschaft gegen das Urteil in Revision gehen wird, kann nach Verlauf des Prozesses nahezu ausgeschlossen werden.

Medical-Tribune-Bericht