Petitionsausschuss Unterschriften mit politischem Gewicht
© Verband medizinischer Fachberufe
Ob zu viel Bürokratie oder Ärger mit der Telematikinfrastuktur: Manche Aspekte des Praxisalltags belasten alle Niedergelassenen gleichermaßen. Doch sich für einen Protest zusammenzuschließen, wie die MFA es kürzlich in Berlin taten, ist für Ärzte schwierig. Wollen sie ihren Unmut politisch kundtun, können sie jedoch von einem oft vergessenen Grundrecht Gebrauch machen – und beim Bundestag eine Petition einreichen.
MFA protestieren in Berlin
Endlich eine staatliche Bonuszahlung für MFA – um dieser Forderung Nachdruck zu verleihen, hat der Verband medizinischer Fachberufe vergangene Woche erneut zu einer Demonstration in Berlin aufgerufen. Doch auch für die Fachangestellten ist es angesichts der Arbeitsbelastung in den Praxen schwer, Protest auf der Straße zu organisieren. Mehr als 20 MFA seien nie gleichzeitig am Versammlungsort gewesen, heißt es in Medienberichten. Doch trotzdem gelang es den Protestierenden, Gespräche mit Politikern zu führen.
„Man darf sich nicht scheuen, Autoritäten mal auf die Füße zu treten“, erklärt Dr. Andreas Meißner, Psychiater und Psychotherapeut in München sowie Mitglied des Bündnisses für Datenschutz und Schweigepflicht. Er hat 2019 gemeinsam mit Kollegen aus dem Bündnis eine Petition initiiert, die sich gegen einen zwingenden TI-Anschluss und gegen eine verpflichtende Nutzung der elektronischen Patientenakte wandte.
Auch Dr. Petra Reis-Berkowicz, Hausärztin im oberfränkischen Gefrees und Vorsitzende der Vertreterversammlung der KBV und der KV Bayerns, kämpft per Petition für ein Anliegen der Mediziner: Da eRezept und eAU technisch noch nicht ausgereift sind, sollen sie zunächst ein Jahr lang in Flächentests erprobt werden, bevor sie die Papierformulare ersetzen. Ob die Politik die Forderung berücksichtigen wird, bleibt abzuwarten. Doch als Mittel der Berufspolitik seien Petitionen durchaus geeignet, meint Dr. Reis-Berkowicz.
Wann ist eine Petition sinnvoll?
Gemäß Artikel 17 des Grundgesetzes kann sich jeder an den Petitionsausschuss des Bundestags wenden. Wie viele Menschen ein Anliegen betrifft und wie realistisch eine Forderung inhaltlich scheint, ist dabei egal. Sie muss sich allerdings im Rahmen des Legalen bewegen, zudem braucht das Schreiben einen Absender und eine Unterschrift. Aktuell laufen auf dem Onlineportal des Bundestags etwa Petitionen, die die sofortige Deckelung des Kraftstoffpreises bei 1,50 Euro fordern oder die Einführung von genormten Akkus für Elektrofahrzeuge aller Art. Für Dr. Meißner war die Petition erst nicht das Mittel der Wahl. Er empfiehlt, zunächst die üblichen Wege zu gehen und sich etwa an den KV-Vorstand oder die Berufsverbände zu wenden. „Wir hatten allerdings das Gefühl, anderweitig kein Gehör zu finden“, erklärt er.Ab 50.000 Mitzeichnern darf Petent persönlich vortragen
Wie viele Personen ein Anliegen unterstützen, spielt für die Erfolgschancen einer Petition zwar nicht unbedingt eine Rolle. Doch wenn innerhalb der vierwöchigen Mitzeichnungsfrist mehr als 50.000 Signaturen zusammenkommen, berät der Ausschuss öffentlich über das Anliegen und der Petent darf seine Forderung persönlich darlegen. Dr. Meißner hatte diese Gelegenheit im Sommer 2020. „Es ist eine spannende Erfahrung, vor einem Organ des Bundestags vorzutragen, vis-à-vis mit den Abgeordneten.“ Letztlich habe er aber den Eindruck gehabt, dass es keine besondere Offenheit für neue Argumente gegeben habe. Die Große Koalition habe den TI-Anschluss eben gewollt. Dr. Reis-Berkowicz wird Mitte Februar vor dem Ausschuss sprechen. Sie hofft, dass die Ampel-Koalition den Positionen der Ärzte offener gegenübersteht – zumal ihre Petition keine Totalablehnung von eRezept und eAU darstellt, sondern eben „nur“ Flächentests fordert. In der Formulierung von Petitionen kann Kompromissbereitschaft vorteilhaft sein. Der Text sollte gut verständlich sein und ein klares Ziel benennen. In den Publikationen des Ausschusses heißt es, Fachchinesisch solle vermieden werden. „Es geht darum, für Unbedarfte zu erklären, was es bedeutet, wenn technische Probleme die Abläufe in der Praxis verzögern. Und klar zu machen, dass hier die Grundversorgung gefährdet wird“, erklärt Dr. Reis-Berkowicz.Wie gewinnt man Unterstützer?
Möglichst viele Mitzeichner für die Petition zu gewinnen, erfordere mehrere Wochen lang viel Arbeit, berichtet Dr. Meißner. „Aber es hat Spaß gemacht, mit Kollegen in Kontakt zu treten, die die gleichen Bedenken haben.“ Der Psychotherapeut arbeitete mit fünf weiteren Ärzten zusammen, um die Petition stemmen zu können. Sie nutzten ihre Verbindungen zu anderen TI-kritischen Netzwerken, wandten sich aber auch an die Medien. Es folgten Fernsehauftritte und Zeitungsinterviews. Und natürlich sprachen sie auch ihre Patienten an. „Die meisten waren sofort bereit, zu unterschreiben.“ Sogar in der Münchener Fußgängerzone waren er und seine Kollegen aktiv. „Das hat nicht die große Masse an Unterschriften gebracht, aber es ist gut, auch mit Bürgern zu reden, die nicht erkrankt sind.“ Letztlich kamen rund 45.000 postalische Signaturen und 20.000 Online-Unterschriften zusammen. Die Petition von Dr. Reis-Berkowicz wurde seitens der Berufsverbände, der KBV und der KV Bayerns unterstützt, weitere KVen sprangen auf und informierten ihre Mitglieder über die Aktion. Sie erreichte insgesamt rund 54.000 Unterschriften.Was kann der Ausschuss tun?
Eingehende Anliegen werden von den Fachausschüssen des Petitionsausschusses bearbeitet. Betrifft ein Anliegen eine Bundesbehörde, wird das zuständige Ministerium um eine Stellungnahme gebeten. Oft führe dies bereits zu den gewünschten Korrekturen, heißt es seitens des Gremiums. Denn der Sachbearbeiter in einer Behörde müsse dann für seinen Vorgesetzten detailliert belegen, warum keine andere Entscheidung möglich gewesen sei. Der Vorgesetzte müsse schließlich in seiner Antwort an den Bundestag dafür geradestehen. Hilft die Stellungnahme noch nicht weiter, werden zwei Abgeordnete des Ausschusses als sogenannte „Berichterstatter“ ernannt, die sich federführend für das Anliegen einsetzen. Der Ausschuss kann weitere Stellungnahmen erbitten, Akten zum Fall anfordern, Mitglieder der Bundesregierung vorladen oder Sachverständige einschalten. Je nach Anliegen kann auch eine Ortsbesichtigung erfolgen. Doch auch diese Mittel führen nicht zwingend zum Erfolg. Wenn der Ausschuss eine Petition abschließt, gibt er eine Empfehlung dazu ab, wie der Bundestag damit umgehen sollte. Ist ein Anliegen so stichhaltig, dass es unbedingt einer Änderung bedarf, überweist das Gremium die Petition „zur Berücksichtigung“ an die zuständige Stelle. Eine etwas schwächere Form ist die Überweisung „zur Erwägung“, die schwächste jene „als Material“. Dr. Meißner erhielt nach zwei Jahren die Rückmeldung, der Ausschuss habe das Verfahren abgeschlossen, da dem Anliegen bereits „teilweise entsprochen“ worden sei. Die Nutzung der ePA sei freiwillig, einzelne Ausnahmen vom TI-Anschluss würden jene Ärzte diskriminieren, die sich wegen des Sanktionsdrucks bereits angeschlossen hätten. Der Psychiater und seine Mitstreiter ärgern sich über diese Auslegung. Sie hatten nie einzelne Ausnahmen im Sinn und kritisieren, dass das Gremium sich nicht mit ihrer eigentlichen Forderung befasste. Trotzdem war die Petition laut Dr. Meißner sinnvoll. „Wir konnten viel Aufmerksamkeit für unsere Standpunkte erzeugen.“ Zudem habe das Verfahren weiter zur Vernetzung der nicht an die TI angeschlossenen Kollegen beigetragen.Medical-Tribune-Bericht