Urteil: Osteopath muss Arzt oder Heilpraktiker sein
Osteopathie ist jetzt nur noch Sache der Ärzte und Heilpraktiker?
Prof. Ehlers: Das Oberlandesgericht Düsseldorf hat einer Physiotherapiepraxis untersagt, für Osteopathiebehandlungen zu werben, wenn kein Arzt oder Heilpraktiker diese durchführt. Nach Ansicht des Senats stellen Osteopathiebehandlungen eine Ausübung von Heilkunde dar, wofür eine heilkundliche Qualifikation erforderlich ist. Eine unsachgemäße Ausübung sei geeignet, gesundheitliche Schäden zu verursachen.
Die gesetzlichen Krankenkassen dürfen also grundsätzlich nur noch für Osteopathiebehandlungen, die von Personen mit der Erlaubnis nach dem Heilpraktikergesetz erbracht wurden, Kosten erstatten. Die Abrechnungspraxis einiger Krankenkassen, die allein auf das Kriterium der ärztlichen Verordnung abstellen, erscheint nun als rechtswidrig.
Es reicht also nicht, dass osteopathische Leistungen allein per Delegation erbracht werden?
Prof. Ehlers: Zwar stellt das OLG fest, dass von ärztlich angeordneter Osteopathie keine mittelbare Gesundheitsgefährdung ausgeht, da Patienten nicht vom Arztbesuch abgehalten werden. Dennoch ist von einem Eingriff auszugehen, dessen fachgerechte Ausführung medizinischer Fachkenntnisse bedarf. Somit ist als Folge der OLG-Entscheidung eine ärztliche Anordnung bzw. Delegation grundsätzlich nur an Leistungserbringer mit ärztlicher Approbation oder Erlaubnis nach dem Heilpraktikergesetz zulässig – eben nicht genügend sei die abgeschlossene Osteopathie-Ausbildung.
Anders zu beurteilen ist die Frage, inwiefern eine Delegation von Osteopathiebehandlungen innerhalb der Praxis eines Arztes, Heilpraktikers oder Physiotherapeuten möglich ist. Es ist nicht erforderlich, dass der Anbieter einer Osteopathiebehandlung über eine Heilpraktikererlaubnis verfügt, solange der Behandelnde diese besitzt. Bei Mitarbeitern, etwa Physiotherapeuten, die selbst nicht über eine Erlaubnis nach § 1 Abs.1 HeilPrG verfügen, ist dafür Sorge zu tragen, dass die wesentlichen Behandlungsschritte durch den Heilpraktiker erfolgen.
Die Reichweite einer Delegation hängt auch von der Qualifikation des Mitarbeiters ab, auf den einzelne Behandlungsteile übertragen werden sollen. Grundsätzlich erforderlich erscheint dessen physiotherapeutische Ausbildung zum Osteopathen.
Wie sieht es mit der Haftung aus?
Prof. Ehlers: Ein Leistungserbringer, der eine Osteopathiebehandlung ohne die Erlaubnis nach dem HeilPrG erbringt, könnte zivilrechtlich abgemahnt und zur Unterlassung aufgefordert werden. Auch wäre der Straftatbestand des § 5 HeilprG erfüllt, der eine Ausübung der Heilkunde ohne die Erlaubnis nach § 1 unter Strafe stellt. Ferner sind berufsrechtliche Konsequenzen für Physiotherapeuten und Heilpraktiker mit einer beschränkten Erlaubnis denkbar.
Das Urteil ist also mehr als eine Einzelfallentscheidung?
Prof. Ehlers: Das Urteil wirkt grundsätzlich nur zwischen den Parteien. Die tatsächlichen Auswirkungen sind jedoch weitreichend, da durch das Urteil eine Berufszulassungsbeschränkung konstituiert wurde. Es kann angenommen werden, dass das Urteil jedenfalls in Nordrhein-Westfalen zur Entscheidungsgrundlage in vergleichbaren Fällen wird.
Auszuschließen ist jedoch nicht, dass es auch zu abweichenden gerichtlichen Entscheidungen kommt. Bezüglich der Frage, ob es sich bei der klassischen Osteopathie tatsächlich um eine Heilbehandlung handelt, die eine Erlaubnis nach § 1 Abs.1 HeilPrG rechtfertigt, kann man wegen der damit verbundenen Beschränkung der Berufswahlfreiheit unter dem Gesichtspunkt der Verhältnismäßigkeit durchaus zu einem anderen Ergebnis gelangen.
Was kann eine Krankenkasse oder ein Arzt nun Patienten zur Osteopathie raten?
Prof. Ehlers: Die gesetzlichen Krankenkassen sollten dem Patienten raten, einen Leistungserbringer aufzusuchen, der über die erforderliche Erlaubnis nach dem HeilPrG verfügt. Dies liegt schon im Eigeninteresse der Krankenkasse an einer rechtmäßigen Abrechnungspraxis. Ein Arzt sollte sich dieser Empfehlung anschließen und die dargestellten Delegationsfragen beachten.
Die Fragen stellte Michael Reischmann
* Urteil vom 8.9.2015, Az.: I-20 U 236/13