„I have concepts of a plan“  Wohin bewegt sich die US-Gesundheitspolitik unter Donald Trump?

Gesundheitspolitik Autor: Isabel Aulehla

Wohin bewegt sich nun die US-Gesundheitspolitik? Wohin bewegt sich nun die US-Gesundheitspolitik? © francescosgura – stock.adobe.com

Nach jetzigem Stand sieht es so aus, als könnte Donald Trump US-Präsident werden. Wie wird sich das Gesundheitswesen, das die höchsten Arzneimittelausgaben der Welt verzeichnet und eine tödliche Opioidkrise bewältigen muss, unter ihm entwickeln? Der Politologe Prof. Dr. Christian Lammert gibt einen Ausblick. 

Welche gesundheitspolitischen Vorhaben hat Trump für die nächsten vier Jahre auf der Agenda?

Prof Lammert: Trump hat bisher keine spezifischen gesundheitspolitischen Vorhaben für die kommenden vier Jahre angekündigt. In der Vergangenheit hat er jedoch versucht, die Regelungen des „Affordable Care Act“ – auch bekannt als ACA oder Obamacare – abzuschaffen oder zu schwächen. Es ist wahrscheinlich, dass er diese Bemühungen in seiner neuen Amtszeit fortsetzen würde.

Krankenversicherungen wie Obamacare sind in den USA besonders wichtig, weil schwere Erkrankungen aufgrund der hohen Arzneimittelpreise existenzvernichtend sein können. Wie steht es um Obamacare?  

Prof Lammert: Derzeit sind etwa 21 Millionen Bürgerinnen und Bürger über den ACA krankenversichert. Diese Zahl ist ein Rekord und wurde im Februar 2024 erreicht. Seit der Einführung im Jahr 2010 haben insgesamt fast 50 Millionen Personen zu irgendeinem Zeitpunkt eine Krankenversicherung über den ACA erhalten. Die Marktteilnahme ist besonders hoch in Staaten, die die Medicaid-Erweiterung1 nicht angenommen haben oder erst kürzlich eingeführt haben, wie Florida, Utah und ­Georgia.

 Trump und andere Republikaner diffamieren staatliche Gesundheitsfürsorge gerne als „sozialistisch“. Wie viel Rückhalt genießt Obamacare in der Bevölkerung? 

Prof Lammert: Der ACA genießt mittlerweile einen erheblichen Rückhalt. Laut einer Umfrage der Kaiser Family Foundation aus dem Mai 2024 haben etwa 62 % der Erwachsenen eine positive Meinung, 37 % eine negative. Die positive Wahrnehmung hat sich im Laufe der Jahre verstärkt, insbesondere nach den erfolglosen Versuchen der Republikaner, das Gesetz im Jahr 2017 aufzuheben. Die Meinungen zum ACA sind jedoch stark parteipolitisch geprägt: Fast neun von zehn Demokraten und zwei Drittel der Unabhängigen sehen das Gesetz positiv, während zwei Drittel der Republikaner eine negative Meinung haben. Trotz dieser parteipolitischen Unterschiede gibt es breite Unterstützung für bestimmte Regelungen des ACA, wie den Schutz für Menschen mit Vorerkrankungen, der als sehr wichtig erachtet wird.

Die USA haben die höchsten Arzneimittelausgaben der Welt. Durch den „Inflation Reduction Act“ der Biden-Regierung darf die staatliche Krankenversicherung Medicare nun allerdings Preisnachlässe mit Arzneimittelherstellern aushandeln. Allein 2026 soll das das System um 6 Mrd. Dollar entlasten. Wie reagiert die US-Pharmabranche auf die Regelung?

Prof Lammert: Die Pharmabranche hat auf die Festpreisverhandlungen mit erheblichem Widerstand reagiert. Mehrere große Unternehmen und Branchenverbände haben rechtliche Schritte eingeleitet, um die Preisverhandlungen zu stoppen. Sie argumentieren, dass der Inflation Reduction Act, der Medicare die Befugnis gibt, Medikamentenpreise auszuhandeln, verfassungswidrig sei. Die Unternehmen behaupten, die Regelungen verletzten ihre Rechte und hätten negative Auswirkungen auf Forschung und Innovation.

Zu den Unternehmen, die Klagen eingereicht haben, gehören unter anderem Merck, Bristol Myers Squibb und Novartis. Sie kritisieren, dass die Preisfestsetzungen den Zugang zu Medikamenten einschränken und die Entwicklung neuer Arzneimittel behindern könnten. Novartis hat beispielsweise erklärt, dass die Preisfestsetzungsbestimmungen verfassungswidrig seien und langfristige negative Folgen für Patienten haben könnten.

Die Kritik der Pharmaindustrie bezieht sich auch darauf, dass die Verhandlungen nicht transparent seien und nicht den wahren Wert der Medikamente widerspiegeln würden. Vertreter der Branche argumentieren, dass diese Maßnahmen letztlich keine Garantie für niedrigere Kosten für Patienten bieten, da die Versicherungsgesellschaften und Apotheken-Dienstleister weiterhin eine entscheidende Rolle bei der Festlegung der tatsächlichen Kosten spielen.

Sind für weitere Arzneimittel Festpreise in Aussicht?

Prof Lammert: Ja, die Centers for Medicare & Medicaid Services – abgekürzt CMS – planen, bis Februar 2025 eine Liste mit bis zu 15 weiteren Medikamenten zu veröffentlichen, deren Preise für 2027 ausgehandelt werden sollen. Dies ist Teil eines kontinuierlichen Prozesses, der durch den Inflation Reduction Act ermög­licht wurde, um die Kosten für teure Medikamente zu senken und sie für ältere Menschen erschwinglicher zu machen. Nach dieser zweiten Runde werden die CMS in der Lage sein, die Preise für weitere 15 Medikamente zu verhandeln, die 2028 umgesetzt werden sollen. Ab 2029 wird die Anzahl der jährlich verhandelten Medikamente auf 20 erhöht. Diese Verhandlungen konzentrieren sich auf hochpreisige Medikamente ohne generische oder biosimilare Konkurrenz und zielen darauf ab, die finanzielle Belastung für Medicare-Begünstigte zu verringern.

Arzneimittel-Rabatte
Für zehn Medikamente hat Medicare bereits Festpreise ausgehandelt. Sie greifen ab 2026 und sollen die Arzneimittelausgaben allein im ersten Jahr um 6 Mrd. Dollar senken. 
PräparatPreisnachlass in %
Januvia79
Fiasp; Fiasp FlexTouch; Fiasp PenFill; NovoLog; NovoLog FlexPen; ­NovoLog PenFill76
Forxiga68
Enbrel67
Jardiance66
Stelara66
Xarelto62
Eliquis56
Entresto53
Imbruvica38

In den letzten Jahrzehnten sind Hunderttausende US-Bürgerinnen und -Bürger durch Opioide gestorben. Die Krise begann durch die leichtfertige Verordnung von Arzneimitteln, inzwischen ist der Konsum zu illegal erworbenem Fentanyl übergegangen. Gibt es Gegenmaßnahmen, die Erfolg zeigen?

Prof Lammert: Es gibt mehrere Gegenmaßnahmen: Apothekenketten wurden rechtlich belangt und zu hohen Strafzahlungen verurteilt, um ihre Rolle in der Krise anzuerkennen. Die Regierung hat die Strafen für Drogendealer verschärft und Gegenmittel wie Naloxon rezeptfrei zugänglich gemacht. Es wurden auch internationale Sanktionen verhängt, um den illegalen Handel mit Fentanyl einzudämmen. Einige Ärzte wurden ebenfalls zu drakonischen Strafen verurteilt. Ein bemerkenswertes Beispiel ist ein Arzt aus Virginia, der für die Verschreibung von rund 500.000 Einzeldosen Opioiden innerhalb von zwei Jahren zu 40 Jahren Haft verurteilt wurde. Ihm wurde vorgeworfen, einen Drogenring betrieben zu haben, der mehrere Bundesstaaten versorgte, und er wurde in mehr als 800 Fällen illegaler Verschreibungen schuldig gesprochen.

Neben individuellen Verurteilungen gab es auch größere Razzien, bei denen über 30 Ärzte sowie Apotheker und Krankenpfleger in mehreren Bundesstaaten verhaftet wurden. Diese medizinischen Fachkräfte wurden beschuldigt, Millionen von Schmerztabletten an Süchtige verschrieben und verkauft zu haben. 

Diese Maßnahmen zeigen, dass die Behörden versuchen, die Rolle von medizinischem Personal in der Krise zu adressieren und rechtliche Konsequenzen für unethisches Verhalten durchzusetzen.

Gelten die Maßnahmen als ausreichend? Geht der Konsum zurück?

Prof Lammert: Die Maßnahmen scheinen erste Erfolge zu zeigen. Die Zahl der Todesfälle durch eine Drogenüberdosis ist deutlich zurückgegangen. Zwischen April 2023 und April 2024 sank sie um etwa 10  % auf rund 101.000. Das ist der größte Rückgang der letzten Jahrzehnte. Dies wird als bedeutender Fortschritt im Kampf gegen die Auswirkungen von Fentanyl und anderen gefährlichen Drogen angesehen. Trotz des positiven Trends gibt es weiterhin Bedenken, ob die Maßnahmen ausreichend sind. Experten halten es für notwendig, die Bemühungen fortzusetzen und zusätzliche Ressourcen bereitzustellen, um den Fortschritt aufrechtzuerhalten. Veränderte Verhaltensweisen unter Drogenkonsumenten, wie das Konsumieren in Gesellschaft und das Mitführen von Naloxon, haben ebenfalls zur Reduzierung der Todesfälle beigetragen. Obwohl der Rückgang der Todesfälle vielversprechend ist, bleibt die Zahl der Drogentoten historisch hoch. 

Eines der prominentesten Themen im Wahlkampf war das Abtreibungsrecht. Wie wird es damit nun weitergehen, falls Donald Trump die Wahl gewonnen hat? 

Prof Lammert: Trump wird voraussichtlich weitere Maßnahmen unterstützen, um Abtreibungen einzuschränken oder zu verbieten.

Welche gesundheitspolitischen Themen bewegen Ärztinnen und Ärzte in den USA Ihrer Einschätzung nach derzeit am meisten im Versorgungsalltag?

Prof Lammert: Der Zugang zur Primärversorgung ist eingeschränkt, da viele Menschen keinen Hausarzt haben und es einen Ärztemangel gibt. Aufgrund von Arbeitsbelastung und Kostendruck sind die Burnout-Raten unter Ärztinnen und Ärzten hoch. Und auch die Kosten für Medikamente und die allgemeine Gesundheitsversorgung bleiben drängende Themen. 

Interview: Isabel Aulehla

1 Medicaid ist ein gesundheitliches Sozialhilfeprogramm für Menschen mit geringem Einkommen, Kinder, Senioren und Personen mit Behinderungen. Es wurde durch den ACA auf mehr Berechtigte erweitert, doch nicht alle US-Staaten tragen dies mit.

Prof. Dr. Christian Lammert, Politologe Prof. Dr. Christian Lammert, Politologe © Kerstin Petermann