Automatische Substitution Viele Fragen vom G-BA unbeantwortet
Mitte März ist der Beschluss zur automatischen Substitution von Biologika in Kraft getreten. Der Gemeinsame Bundesausschuss (G-BA) hat dabei zuerst einmal ärztlich verordneten Zubereitungen aus Fertigarzneimitteln mit biotechnologisch hergestellten Wirkstoffen in den Fokus genommen.
Auszutauschen sind demnach biotechnologisch hergestellte Arzneimittel durch ein im Wesentlichen gleiches, aber preisgünstigeres Präparat. Steht ein Arzneimittel mit Rabattvertrag der Krankenkasse zur Verfügung, gilt die die Wirtschaftlichkeit der Verordnung als sichergestellt und ein weiterer Kostenvergleich ist nicht notwendig. Gibt es keinen Rabattvertrag, sind grundsätzlich die Bestimmungen der Hilfstaxe zu berücksichtigen, also der „Vertrag über die Preisbildung für Stoffe und Zubereitungen aus Stoffen“. Der Deutsche Apothekerverband und der GKV-Spitzenverband verhandeln zurzeit zur Hilfstaxe für die automatische Substitution. Einheitliche Rabattverträge gibt es bisher keine.
Herstellerverbände bewerteten bereits im Gesetzgebungsverfahren die automatische Substitution kritisch. Walter Röhrer, Vorsitzender der AG Biosimilars, machte dies im Symposium Biosimilars 2024 deutlich. Er verwies darauf, dass Rabatte bei Biosimilars bereits Millionen Euro an Einsparung gebracht hätten, 1,85 Mrd. Euro in 2023. Hersteller müssen den Apotheken für biosimilare Wirkstoffe in parenteralen Zubereitungen bereits seit September 2022 bis zu 67,5 % Rabatt gewähren. Seit Dezember 2022 ist zudem ein Herstellerabschlag von 12 % Pflicht. Röhrer legte auch Zahlen aus 2023 vor, die Marktanteile von bis zu 90 % bei den in Anlage VIIa des G-BA-Beschlusses zu berücksichtigenden Wirkstoffen belegen. Bei Trastuzumab zur Behandlung von HER2-positivem Brustkrebs bspw. sind es bereits 86,7 %, bei Infliximab, eingesetzt bei Erkrankungen des rheumatoiden Formenkreises, sind es 90 %.
Hohe Marktanteile zeigen kein ausgereiztes Sparpotenzial
Die Ampelregierung setzt dennoch auf weitere Ausgabensenkungen. „Sparen hört nicht auf“, betonte Thomas Müller, Leiter der Abteilung 1 „Arzneimittel, Medizinprodukte und Biotechnologie“ im Bundesministerium für Gesundheit (BMG) und ehemaliger Leiter der Abteilung Arzneimittel beim G-BA. Er mahnte allerdings ein behutsames Vorgehen beim Sparen per automatischer Substitution an, „weil wir bei dem Thema ein Gebiet haben, das noch nicht so etabliert ist wie bei den klassischen Generika“. Im Beschluss des G-BA zeige sich das behutsame Vorgehen, denn es würden auch Anwendungsgebiete berücksichtigt.
Hohe Marktanteile bei Biosimilars allein bedeuten für den BMG-Mann allerdings noch kein ausgereiztes Sparpotenzial: „Wettbewerb muss sich im Preis zeigen.“ Das betreffe die Unternehmen ebenso wie die Apotheken. Der Bundesgesundheitsminister habe versprochen, dass er keine Leistungseinschränkungen mache in seiner Legislatur, aber das müsse auch finanziert werden, so Müller mit Verweis auf die schlechte finanzielle Lage der GKV.
Viele Detailfragen zum Austausch der Wirkstoffe sind bisher unbeantwortet. Ein Knackpunkt sind die Preise, an denen sich die Apotheker orientieren müssen. Unklar ist auch, wie bei Lieferengpässen zu verfahren ist. „Die Regelung muss auch den Apotheken die Sicherheit geben, die sie brauchen“, stellte Christiane Müller, Geschäftsführerin des Verband der Zytostatika herstellenden Apothekerinnen und Apotheker klar. Man könne günstigere Preise für die Krankenkassen vereinbaren, wenn es auch eine Lösung für den Fall gebe, dass ein Wirkstoff nicht verfügbar sei. Zu manchen Detailfragen brauche es noch weitere Verhandlungsrunden. Grundsätzlich einig seien sich die Verhandlungspartner zum Konstrukt der Biosimilar-Substitution in der Hilfstaxe. Man habe dieses auch schon an die Softwarehäuser herausgeben können.
Dr. Christopher Kirsch, stellv. Vorsitzender der AG Pro Biosimilars, sieht die Lage kritisch. Der G-BA-Beschluss sei „handwerklich schlecht gemacht“ und die Regelungen schwammig formuliert. Eine Wirkstoffdefinition habe der G-BA nicht geliefert. „Man muss sich am Ende überlegen, welche Produkte sind überhaupt erfasst?“
Das Ganze sei komplex, weil es auch Produkte gebe, die sowohl als fertige Arzneimittel als auch als Zubereitung angewendet werden könnten. Und was unter einem preisgünstigen Fertigarzneimittel zu verstehen sei, stehe auch nicht im G-BA-Beschluss. Leistungserbringer und Patienten seien die Leidtragenden, denn es gebe weder einen geeinten, rechtssicheren Vertrag noch eine Friedenspflicht in der Übergangszeit. Das bringe auch für Hersteller Unsicherheiten.
Dr. Birgit Heltweg, Teamleitung Apotheken/Selektivverträge bei der Barmer, bemerkte, Krankenkassen seien nicht dafür da, die Arzneimittelproduktion in Deutschland zu stärken. Man fange jetzt mit einem kleinen Bereich an bei der automatischen Substitution von Biologika. Dieser könne ausgebaut werden. Man versuche auch, den Ärzten etwas mitzugeben über Selektivverträge. Aber noch sei nicht alles schlüssig.
Medical-Tribune-Bericht