Regierung will den Einsatz von Biosimilars gesetzlich forcieren
Zurzeit sind 30 Biosimilars in Deutschland verfügbar. Besondere Aufmerksamkeit bei Herstellern, Krankenkassen und Ärzten genießen die Nachfolger des weltweit umsatzstärksten Medikaments Adalimumab (Humira®). Der monoklonale Antikörper kommt vor allem bei rheumatischen Erkrankungen zum Einsatz.
Im Oktober 2018 verlor das Präparat, auf das allein in Deutschland pro Jahr fast eine Mrd. Umsatz entfiel, in Europa seinen Patentschutz. Daraufhin brachten vier pharmazeutische Unternehmen ihre alternativen biologischen Medikamente auf den Markt. In Dänemark haben die Adalimumab-Biosimilars schon komplett die Versorgungsrolle übernommen, twitterte die Arbeitsgemeinschaft Pro Biosimilars kürzlich.
Auch in Deutschland steigt der Versorgungsanteil der biologischen Arzneimittel. Beispielsweise lag der Verordnungsanteil der Adalimumab-Biosimilars bereits acht Wochen nach Markteintritt bei knapp 30 %. Davon profitieren vor allem die gesetzlichen Krankenkassen, meint Dr. Stephan Eder, Country Head Sandoz Germany der Hexal AG. Er nennt einen Preisnachlass von 40 % im Vergleich zum Referenzarzneimittel.
„Austauschbar, aber nicht automatisch substituierbar“
Allerdings ziehen die Ärzte bei der Substitution mit Biosimilars insgesamt bisher nur zögerlich mit, wie der Arzneiverordnungsreport 2018 sichtbar macht. Der Verordnungsanteil lag 2017 je nach KV-Regionen zwischen 18,8 % (Baden-Württemberg) und 33,5 % (Westfalen-Lippe).
„Käme konsequent das preiswerteste vergleichbare biosimilarfähige Arzneimittel in der Therapie zum Einsatz, könnten jährlich 750 Millionen Euro zusätzlich eingespart werden – und dies ohne Qualitätseinbußen für die Patienten“, zeigt eine aktuelle Analyse des Wissenschaftlichen Instituts der AOK. Biosimilarfähige Arzneimittel nehmen bereits einen Marktanteil von 10 % des gesamten GKV-Arzneimittelmarktes in Höhe von 39,4 Mrd. Euro ein.
Professor Dr. Wolf-Dieter Ludwig, Vorsitzender der Arzneimittelkommission der deutschen Ärzteschaft (AdkÄ) mahnt jedoch: „Biosimilars und Referenzarzneimittel sind zwar austauschbar, aber nicht automatisch substituierbar.“ So könne die automatische Substitution Nocebo-Phänomene auslösen und damit eine Quelle für potenzielle Medikationsfehler darstellen.
Im Kabinettsentwurf eines Gesetzes für mehr Sicherheit in der Arzneimittelversorgung (GSAV) ist vorgesehen, Biosimilars schneller in die Versorgung zu bringen. Der Gemeinsame Bundesausschuss legt dazu in einer Richtlinie fest, welche Originale gegen welches Biosimilar ausgetauscht werden können. In drei Jahren sollen auch Apotheken Biosimilars, die auf der Liste des G-BA stehen, austauschen können.
Dr. Katja Knauf der AOK Sachsen-Anhalt hält es für politisch klug, bezüglich der Austauschbarkeit in der Apotheke „noch weitere Daten und Erfahrungen zu sammeln“. Prof. Ludwig lehnt den Austausch in der Apotheke ab. Die automatische Substitution greife massiv ins Behandlungsprinzip ein, meint auch die Rheumatologin Dr. Silke Zinke, u.a. weil der Verordnung eine gemeinsame Entscheidungsfindung von Patient und Arzt vorangehen sollte. Strukturverträge zwischen Krankenkassen und KVen hält die Berliner Spezialistin dagegen für sinnvoll – bei entsprechender Honorierung der ärztlichen Leistung. Diese sollte ausreichend Zeit für das Gespräch mit dem Patienten berücksichtigen, aber auch für die Information im Praxisteam. Das Umstellen mache man „nicht mal so im Vorbeigehen“ bei Patienten, für die es um eine lebenslange Therapie gehe.
„Es ist vollkommen inakzeptabel, dass diese Gespräche nicht in entsprechender Form honoriert werden“, bekräftigt Prof. Ludwig. Man werde eine große Marktdurchdringung bei Biosimilars nur erreichen, wenn alle gut informiert sind.