Geplante Arzneimittelregelungen beschäftigen Abgeordnete und Lobbyisten
Professor Dr. Edgar Franke ist stellvertretender gesundheitspolitischer Sprecher der SPD-Bundestagsfraktion und Jurist: Er bezweifelt, dass der schon jahrelang praktizierte Arzneiversandhandel europa- und verfassungsrechtlich haltbar verboten werden kann. Es wäre wahrscheinlich ein unzulässiger Eingriff in das Eigentumsrecht, meint er.
Michael Hennrich ist Obmann der CDU/CSU-Fraktion im Gesundheitsausschuss des Bundestages und ebenfalls Jurist. Er hält ein Verbot für rechtlich, aber nicht politisch machbar. Es sei innerhalb der Parteien, auch in der CDU, „hoch umstritten“.
Als Kompromiss hat Bundesgesundheitsminister Jens Spahn den Apothekern bereits eine Kompensation angeboten: Die Boni, wie sie ausländische Apotheken ihren Kunden anbieten, werden begrenzt und die Apotheken vor Ort mit Zusatzhonoraren für Nacht- und Notdienste (120 Mio. Euro) sowie zusätzliche pharmazeutische Dienstleistungen (240 Mio. Euro), z.B. beim Medikationsplan, entschädigt.
Fernverordnung soll bis Mitte 2020 möglich sein
Hennrich spricht sich für eine Regelung im SGB V aus, die einen ähnlichen Rechtszustand schafft, wie er bestand, bevor der Europäische Gerichtshof im Oktober 2016 sein Urteil zugunsten von DocMorris fällte. Der von Spahn vorgeschlagene Rx-Bonus von 2,50 Euro werde nicht kommen, ist der Politiker überzeugt, „die Gleichpreisigkeit wird das Mindeste sein, was wir fordern“. Und nur wenn sich die Versandhändler an die Preisvorschriften halten, dürften die Krankenkassen die Kosten erstatten.
Der Versandhandel ist nur ein Aspekt des geplanten Gesetzes für mehr Sicherheit in der Arzneimittelversorgung (GSAV). Mittlerweile liegt ein Kabinettsentwurf vor, der sich bereits deutlich vom Referentenentwurf des Ministeriums unterscheidet. Weitere Änderungen deuten sich an.
Für rechtlich bzw. praktisch schwierig hält es Prof. Franke z.B., dass Informationen über Wirkstoffhersteller von Fertigarzneien öffentlich einsehbar sein sollen und wie Kassen, die Rabattverträge mit Pharmafirmen abschließen, in die Mitverantwortung für eine „unterbrechungsfreie und bedarfsgerechte“ Lieferfähigkeit zu nehmen sind.
Das GSAV sieht die Fernverordnung vor, d.h., die Apotheken können künftig verschreibungspflichtige Arzneimittel aufgrund einer Fernbehandlung abgeben. Tritt das Gesetz wie geplant im Juli 2020 in Kraft, soll die Selbstverwaltung innerhalb von sieben Monaten die Voraussetzungen fürs eRezept regeln. Die Gematik soll nach Spahns Willen bis Mitte 2020 die technischen Maßnahmen für die flächendeckende Einführung des eRezepts treffen. Ein zeitlich „sehr ambitionierter Plan“, findet SPD-Politiker Prof. Franke.
Noch kein ausreichender Schutz vor Fälschungen?
Die Erprobung des eRezepts in Baden-Württemberg (Projekt „Gerda“) zeige schon, dass es funktioniert, sagt der Präsident der Bundesapothekerkammer, Dr. Andreas Kiefer. Er betont aber auch, dass mit dem eRezept „das europäische Ausland nur einen Klick entfernt“ sei. Wegen der Gefahr, dass durch Importe gefälschte Arzneimittel in die Versorgung kommen, fordert der Verband Forschender Arzneimittelhersteller (vfa), die Importförderklausel im SGB V zu streichen. Der CDU-Abgeordnete Hennrich sieht dafür jedoch keine Mehrheit. Für die Versorgung sei die Förderklausel nicht notwendig, meint Apothekerchef Dr. Kiefer, es gehe halt um ein „Geschäftsmodell“. 2019 seien bereits drei importierte Fälschungen aufgefallen. Immerhin: Am 9. Februar ist ein IT-basiertes System zur Abwehr von Arzneimittelfälschungen gestartet (securPharm).
Das GSAV sieht ferner vor, dass der Gemeinsame Bundesausschuss bis Juli 2010 Hinweise zur Austauschbarkeit von „im Wesentlichen gleichen biologischen Arzneimitteln“ gibt. Die Aut-idem-Regelung soll ab Juli 2022 für die Apotheken gelten. Der vfa hält sie laut Geschäftsführer Dr. Siegfried Throm für verzichtbar. Eine Befürchtung lautet: Die Arzneimittelsicherheit könne nicht mehr gewährleistet sein, wenn gemeldete Nebenwirkungen nicht eindeutig einem Produkt zugeordnet werden können. Was die fachliche Qualifikation der Apotheker für den Austausch der ähnlichen, aber nicht gleichen Präparate angeht, hat Kammerpräsident Dr. Kiefer keine Bedenken. Ggf. könnten die Ärzte eine Substitution ja ausschließen.