"Wir verbitten uns die Geringschätzung der Kompetenz der Hausärzte!"
Vorstand und Abgeordnete des Deutschen Hausärzteverbandes verzichteten bei der Delegiertenversammlung in Mainz darauf, Versorgungsvisionen für 2020, 2025, 2030 oder sonst wann zu postulieren. Man fühlt sich bei den etablierten Parteien wertgeschätzt und im KV-System gut verankert. Außerdem wird die mit den Verträgen der Hausarztzentrierten Versorgung (HzV) gewonnene Autonomie ausgebaut.
Letzteres z.B. durch eine webbasierte Applikation für die Praxen, mit der alle HzV-Verträge – unabhängig vom jeweiligen Praxisverwaltungssystem – abgewickelt und die Daten sicher zum Rechenzentrum der Hausärztlichen Vertragsgemeinschaft versandt werden können; das soll helfen, Umsetzungsprobleme mit IT-Anbietern zu umgehen.
Boni für HzV-Teilnahme würde den Verträgen Zulauf bringen
Fast 20 Jahre ist es her, erinnerte der Bundesvorsitzende Ulrich Weigeldt die Delegierten in seinem Lagebericht, dass der Hausärzteverband rechtliche Regelungen für ein freiwilliges Primärarztsystem forderte. Er hat sie bekommen. Seit fast zehn Jahren gibt es das HzV-System, in das laut Weigeldt derzeit knapp 4,5 Millionen Krankenversicherte eingeschrieben sind.
Damit das noch mehr werden, verlangt der Verband finanzielle Anreize für die Versicherten. Die Kassen können dies heute schon tun, wenn sie möchten. Dem Hausärzteverband wäre aber eine gesetzliche Verpflichtung dazu lieber. Freiwillige Vorteile räumen z.B. die HzV-Vorreiter AOK Baden-Württemberg (keine Zuzahlung für rabattierte, generische Arzneimittel) und Bosch BKK (jährlicher HzV-Teilnahmebonus von 40 Euro) ein. Ein alter Vorschlag des Hausärzteverbandes, den Weigeldt jetzt auch wieder gegenüber der rheinland-pfälzischen Gesundheitsministerin Sabine Bätzing- Lichtenthäler (SPD) aussprach, sieht einen Hausarzttarif vor, der ca. 20 % günstiger als in der Regelversorgung wäre.
Mehr Ärzte in Weiterbildung
Zufrieden zeigten sich Ministerin wie Verbandschef über die Festlegung des "Masterplans Medizinstudium 2020". Impulse für die Allgemeinmedizin sollen u.a. regelmäßige Hospitationen in Hausarztpraxen während des Studiums, ein PJ-Quartal im vertragsärztlichen Bereich und die Prüfung aller Studierenden in Allgemeinmedizin im Staatsexamen liefern.
Dass die Förderung der Weiterbildung zum Facharzt für Allgemeinmedizin Früchte trägt, unterstrich Weigeldt mit den folgenden Zahlen: 2011 waren 5500 Ärzte in Weiterbildung zum Allgemeinarzt, 2013 waren es 6700 und 2015 schon 8200.
Die Maßnahmen der Weiterbildungsförderung und des Masterplans würden allerdings ad absurdum geführt, heißt es in einer einstimmig von der Delegiertenversammlung beschlossenen Resolution, wenn "auch nicht spezifisch qualifizierte Fachärzte (Gebietsärzte) oder andere Berufsgrupen (Physician Assistent) ganz oder teilweise zur hausärztlichen Versorgung zugelassen werden".
Wieder in Disharmonie mit dem Internistenverband
Die harmonische Phase zwischen Hausärzteverband und dem Berufsverband Deutscher Internisten (BDI) scheint jedenfalls schon wieder passé zu sein. Weigeldt reagierte in seinem Lagebericht auf öffentliche Äußerungen des BDI-Vorsitzenden Dr. Hans-Friedrich Spies. Dieser macht sich für eine "neue Grundversorgung" stark, wo neben dem Allgemeinarzt z.B. auch der Augenarzt, HNO-Arzt, Orthopäde und vor allem der Internist ohne Schwerpunkt tätig werden.
Die Nachtigall hört man beim Hausärzteverband trapsen: Über eine neue Grundversorgungsebene soll die jetzige Honorartrennung zwischen Haus- und Fachärzten ausgehebelt werden! Hierüber werden sicherlich noch innerärztliche Gefechte zwischen den Berufsverbänden und bei der KBV ausgetragen werden. In einem Beschluss zum Drängen spezialisierter Fachärzte heißt es: "Der Deutsche Hausärzteverband fordert die Anerkennung der Allgemeinmedizin als Qualitätsstandard für die hausärztliche Versorgung."
Geriatrische Versorgung ist hausärztlicher Alltag
Auch auf dem Spielfeld der Ärztekammern muss der Hausärzteverband Vorstöße abwehren, die Versorgungsdefizite thematisieren und weitere Qualifikationserwerbe fordern. Aktuell ist das Ringen um die Geriatrie. Die Delegiertenversammlung lehnt sowohl die "mannigfaltigen Qualifikationen in der Geriatrie (zuletzt die Zusatzweiterbildung ,ambulante Geriatrie‘ der Landesärztekammer Hessen)" ab als auch den "Facharzt für Geriatrie sowie den Facharzt für Innere Medizin und Geriatrie". Die Grundqualifikation zur Versorgung älterer und hochbetagter Menschen gehöre zuallererst in die Weiterbildungsordnung.
Verbandschef Weigeldt kündigte einen langen Atem und die besseren Argumente für die kommenden Diskussionen an. "Wir verbitten uns die offensichtliche Geringschätzung der Qualifikation und Kompetenz der Hausärztinnen und Hausärzte!"
Quelle: Deutscher Hausärzteverband – Frühjahrstagung