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135 Krätze-Patienten an einem Tag behandelt
Sechs Bewohner und drei Beschäftigte an Skabies erkrankt? Die Verantwortlichen des Altenheims zögerten nicht und leiteten unverzüglich Sofortmaßnahmen ein. Doch die Situation eskalierte: ein deutscher Milbenkrimi.
Skabies norvegica wird auch über Kleider übertragen
Skabies norvegica bedeutet Alarmstufe Rot: Während Krätzmilben sonst außerhalb des Wirts kaum überlebensfähig sind, findet sich bei Skabies norvegica eine so hohe Erregerkonzentration, dass man eine Übertragung auch durch Gegenstände und Kleider befürchten muss.
Nachdem drei Bewohner eines Duisburger Altenpflegeheims mit dieser Diagnose in der Hautklinik gelandet waren, wurden die weiteren Krätzeverdächtigen isoliert. Betreten der Zimmer war nur mit Schutzkleidung erlaubt. Eine Firma desinfizierte milbenverseuchte Zimmer mit Pyrethrum-Trockennebel, wie im Epidemiologischen Bulletin des Robert Koch-Instituts zu lesen war.
Ivermectin für Skabieserkrankte und Angehörige
In Absprache mit der Hautklinik empfahl die Amtsärztin für alle Skabieskranken und deren Kontaktpersonen eine orale Therapie mit Ivermectin (in Deutschland bisher nicht zugelassen, aber z.B. aus Frankreich beziehbar). Ein niedergelassener Dermatologe erklärte sich bereit, die Untersuchung aller potenziell infizierten Bewohner und Beschäftigten zu übernehmen.
In wenigen Tagen wuchs die Zahl der skabiesverdächtigen Bewohner von drei auf sieben an. Nun galt der ganze betroffene Wohnbereich als Gefahrenzone. Diese sollte von den „Insassen“ möglichst nicht verlassen und von Besuchern nur mit Schutzkleidung betreten werden. Alle Gemeinschaftsveranstaltungen im Heim sagte man bis auf Weiteres ab.
Der Hautarzt nahm nun seine Reihenuntersuchung vor und die Massenchemotherapie in Angriff. Dies hieß: Er musste alle Bewohner und Beschäftigten in Augenschein nehmen, sorgsam aufklären, die schriftliche Einwilligung zur Therapie einholen, Körpergewicht bestimmen und Dosis ausrechnen. Um die Beschaffung des Wirkstoffs kümmerte sich die Amtsärztin.
Milbennachweis: Bei 135 Personen musste die klinische Untersuchung reichen
An einem einzigen Tag untersuchte der Dermatologe 135 Personen (76 Bewohner, 53 Mitarbeiter, sechs Reinigungskräfte) – rein klinisch, versteht sich, denn den mikroskopischen Milbennachweis bei jedem einzelnen hätte der Kollege nicht bewältigt. In 48 Fällen äußerte er Krätzeverdacht und deckte quasi nebenbei noch acht Basaliome und ein malignes Melanom auf.
Insgesamt 119 Personen entschieden sich für die systemische Ivermectin-Therapie. 16 Personen bevorzugten die Lokalbehandlung mit Permethrin. Nachdem der engere Kreis versorgt war, galt es, alle weiteren Personen (Angehörige, Betreuer, ehrenamtlich Tätige), die mit Heimbewohnern oder -angestellten Kontakt gehabt hatten, zu informieren. Man empfahl ihnen, sich in fachärztliche Behandlung zu begeben, sodass der niedergelassene Hautarzt tags drauf noch einmal bei 40 weiteren Personen die Milbenuntersuchung und -beratung durchführte.
Ohne Krätze-Attest kommt keiner ins Altersheim
Den Tag 16 nach der stationären Aufnahme des Indexpatienten bestimmte man zum großen Tag der Massenchemotherapie. Um auszuschließen, dass sich Betroffene danach an Kleidern und Möbeln neu ansteckten, wurden im Vorfeld für jeden Bewohner zwei Sätze Wäsche und Bekleidung mit Desinfektionswaschmittel aufbereitet und in einem vom Schädlingsbekämpfer gesäuberten Raum gelagert.
Man versiegelte die Kleiderschränke der Bewohner (für 48 Stunden) und teilte um 20 Uhr die individuellen Ivermectin-Dosierungen aus. Es folgte eine weitere Raum-, Betten- und Kleider-Desinfektion. Zudem verhängte man eine Eintrittssperre, um zu verhindern, dass von außen neue Milben eingeschleppt wurden: Nur wer sich mit ärztlichem Attest als krätzefrei ausweisen konnte, durfte das Heim betreten. Am Tag 29 untersuchte der Hautarzt Bewohner und Heimpersonal erneut. Weil er noch Hautveränderungen erkennen konnte, verabreichte er 15 Bewohnern eine zweite „Ivermectin-Kur“, zwei weitere erhielten Permethrin lokal. Postskabiöse Ekzeme wurden mit topischer Steroidtherapie bekämpft.
Ein teurer Spaß Kassen und Berufsgenossenschaften sind bei einem derartigen Skabies-Ausbruch im Altenpflegeheim nicht in der Pflicht, was Medikamentenkosten und Folgeuntersuchungen angeht, heißt es im Epidemiologischen Bulletin. Mit viel Geduld gelang es in Duisburg, die Kassen (Bewohner) und die BGs (Personal) für eine Beteiligung zu gewinnen. Von den Gesamtkosten von 40 000 Euro musste die Einrichtung letztlich 9000 Euro selbst tragen. |
Quelle: Epidemiologisches Bulletin 2012; Nr. 46: 459–461
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