Aktuelle Antibiotika-Infos für den Harntrakt

Dr. Carola Gessner, Foto: wikipedia/Steven Fruitsmaak

Wieso fällt Cotrimoxazol bei der Akuttherapie auf die hinteren Ränge, kommt aber in der Dauerprophylaxe wieder ins Rennen? Ein Experte informiert.

Die Studienlage darf man nicht mit Resistenzlage gleichsetzen, schickte Privatdozent Dr. Urban Sester vom Universitätsklinikum des Saarlandes in Homburg/Saar seinem Vortrag voraus. Welche Medikamente Sie im Fall einer Harnwegsinfektion (HWI) einsetzen können, hängt unter anderem von lokalen Gegebenheiten und eventuell vorausgegangenen Antibiotika-Therapien ab.


Davon abgesehen gibt es aber Daten, die recht gut über die derzeitige Situation in Deutschland informieren. Laut ARESC-Studie1 zur Empfindlichkeit von Harnwegserregern waren 38 % bereits 2008 resistent gegen Ampicillin und 26 % gegen Cotrimoxazol – die klassische Substanz bei HWI, die viele Kollegen laut Dr. Sester immer noch gern verschreiben. Bei der Auswahl kommt, wie bereits erwähnt, die lokale Situation ins Spiel.

Cotrimoxazol nur noch bei niedriger lokaler Resistenz

„Wenn in Ihrer Gegend einen günstige Resis­tenzlage herrscht, d.h. < 20 % Resistenzen von E. coli gegenüber Trimethoprim, können Sie mit Cotrimoxazol beginnen. Bei uns in Homburg geht das z.B. nicht.“


„Und bei uns ist jeder zweite E. coli resistent gegen Ampicillin Sulbactam, da trifft jeder zweite Schuss ins Leere“, ergänzte Dr. Cornelius Moser vom Städtischen Krankenhaus Pirmasens.


Über günstigere Resistenzdaten verfügen Cephalosporine, Fosfomycin und Nitrofurantoin. Als Mittel zweiter Wahl für die empirische Kurzzeittherapie der unkomplizierten Zystitis nannte Dr. Sester Gyrasehemmer. „Das sind Reserveantibiotika für andere, schwere Infektionen, da wollen wir uns die Resistenzlage nicht verhunzen.“

Bakterien verstecken sich in den Zellen

Und warum benötigt man bei der Blasenentzündung eine Therapiedauer von drei Tagen? Dies ist dem Umstand geschuldet, dass Bakterien im Übergangsepithel von der dicken Zellmembran in Spindelvesikeln gepackt und anschließend nach intrazellulär transportiert werden, wo Antibiotika sie nicht erreichen.


Durch Rezirkulation landen die Keime aber innerhalb von 72 Stunden wieder im Blasenlumen.

Schutz-Strategien

Einmaltherapie nach Geschlechtsverkehr z.B.

  • TMP-SMX* 40/200 mg bzw. 80/400 mg
  • Nitrofurantoin 80–100 mg


HWI-Dauerprophylaxe z.B. mit:

  • TMP-SMX* 40/200 mg täglich
  • TMP-SMX* 40/200 mg 3 x/Woche
  • Trimethoprim 100 mg täglich
  • Nitrofurantoin 50–100 mg täglich
  • Fosfomycin 3000 mg alle 10 Tage


* Trimethoprim-Sulfamethoxazol

 
Zystitis„Und warum genügt dann bei Fosfomycin die Einmalgabe?“, kam eine Frage aus dem Auditorium. Diese Substanz integriert sich in die Blasenschleimhaut und entfaltet einen Depoteffekt, deshalb erzielen Sie mit der Einmalgabe eine dreitägige Wirkung, lautete die Antwort.


Im Gegensatz zur unkomplizierten Zystitis erfordert die Pyelonephritis eine Urinkultur- und ggf. auch Blutkultur-Diagnostik. Die Therapie erfolgt nach Antibiogramm, geeignet sind Fluorchinolone und Cephalosporine. Je nach Erreger kommen auch Aminoglykoside, Tazobactam oder – bei multiresistenten Keimen – Meropenem zum Einsatz.

Volle Startdosis auch bei Niereninsuffizienz

Dosierungsfehler betreffen häufig niereninsuffiziente Patienten. Bei erhöhtem Kreatinin glauben viele Kollegen, von vornherein mit Antibiotika sparen zu müssen. Bitte nicht, mahnte Dr. Sester.


„Bei der ersten Gabe heißt es voll draufschlagen, das heißt auch bei Niereninsuffizienz die volle Startdosis geben.“ Eventuell bedarf es nach der Dialyse sogar einer Extragabe, weil die Blutwäsche auch das Antibiotikum zum Teil entfernt.


Zur Prophylaxe bei rezidivierenden Harnwegsinfekten gibt es mehrere Optionen:

  • Bei der tägliche Einnahme eines Antibiotikums in niedrigen Dosierungen kommt Cotrimoxazol wieder ins Rennen, so der Referent. „Sie haben einmal ein Antibiogramm gemacht, und wissen, ob der Keim empfindlich ist.“ Gut einsetzbar ist darüber hinaus Nitrofurantoin oder Fosfomycin alle zehn Tage.

  • Eine weitere Möglichkeit stellt die Einnahme nach dem Geschlechtsverkehr dar.

  • Differenzierten Patienten können Sie ein Antibiotikum zur Selbstbehandlung für den Rezidivfall verschreiben.

  • Zudem stehen auch alternative Prophylaxe-Möglichkeiten zur Auswahl (Immunisierung, L-Methionin, Moosbeerensaft) – diese können die Rezidivrate um etwa 30 % senken, aber lange nicht so deutlich wie Anti­biotika (um ca. 90 %).

NSAR wirken gut gegen Zystitis- Symptome

In die neue Leitlinie zum unkomplizierten Harnwegsinfekt (erscheint voraussichtlich 2015) werden auch NSAR mit aufgenommen, kündigte der Experte an. Nach neuen Studien wirken NSAR gut gegen Zystitis-Symptome und reduzieren (verglichen mit Placebo) die Morbidität. Allerdings kommt es bei reiner NSAR-Therapie im Vergleich zur Antibiotikagabe etwas häufiger zu Rezidiven nach ein bis zwei Wochen.

Heimliche Infektion bei Schwangeren behandeln

Die asymptomatische Bakteriurie ist nur bei Schwangeren von Bedeutung, sonst nicht – auch nicht bei Diabetikern. Weisen dagegen bei einer Graviden zwei Urinproben Keimzahlen > 105 auf, heißt das therapieren, um z.B. das Risiko einer Frühgeburt zu senken.


Quelle:
58. Jahreskongress der Saarländisch- Pfälzischen Internistengesellschaft
1. Antimicrobial Resistance Epidemiological Survey on Cystitis; G.C. Schito, Int J Antimicrob Agents. 2009; 34: 407-413

Falls Sie diesen Medizin Cartoon gerne für Ihr nicht-kommerzielles Projekt oder Ihre Arzt-Homepage nutzen möchten, ist dies möglich: Bitte nennen Sie hierzu jeweils als Copyright den Namen des jeweiligen Cartoonisten, sowie die „MedTriX GmbH“ als Quelle und verlinken Sie zu unserer Seite https://www.medical-tribune.de oder direkt zum Cartoon auf dieser Seite. Bei weiteren Fragen, melden Sie sich gerne bei uns (Kontakt).